Josh Bazells “Schneller als der Tod“ ist ein zackiger Klinik-Thriller

Mit der Anatomie des menschlichen Körpers kennt Peter Brown sich aus. Weil er genau weiß, welcher Muskel und welche Sehnen welchen Knochen bewegen, tut es ihm in der Seele weh, Teile davon mit brachialer Gewalt zu zerstören. "Es ist eine Schande, diese Bänder zu zerreißen", denkt er, nachdem er einem Straßenräuber den Ellbogen demolieren musste. Der hat Brown mit einer Pistole bedroht. Notwehr also. Dr. Peter Brown arbeitet als Arzt. Aber er hat sich noch ein paar andere Fähigkeiten von früher bewahrt, als er noch nicht in Clogs und blauer OP-Hose durch die Krankenhausgänge von New York schlurfte. Damals nannte ihn alle nur die "Bärentatze". Damals, als er noch Pietro Brnwa hieß und Auftragskiller im Dienste der Mafia war.

Dass die Ärztekammer den Chirurgen mit der blutigen Vergangenheit überhaupt aufgenommen hat, verdankt er einem Zeugenschutzprogramm. Denn Brwna hat gegen die Mafia ausgesagt. Normalerweise verlässt man sein früheres Umfeld, weil die Mobster derlei Gesprächigkeit in der Regel mit einer Tonne nicht sehr schwimmfähigem Zement um die Füße quittieren, und siedelt sich im hintersten Minnesota an, doch der neue Dr. Brown liebt die Metropole am East River. Blöd nur, dass auf seiner Station ein alter Bekannter mit Magenkrebs liegt. Nicholas LoBrutto traut seinen Augen nicht, als die "Bärentatze" sein Zimmer betritt. Die unverhoffte Begegnung wird für den Assistenzarzt zum gefährlichen Dilemma. Muss er den nächsten Mord begehen, um seine neue Identität nicht zu gefährden? Denn die Mafia vergisst nicht.

Josh Bazell, der Autor von "Schneller als der Tod", hat nicht nur Literatur, sondern auch Medizin studiert und in einem Krankenhaus gearbeitet. Bei langen Bereitschaftsdienstnächten kam ihm die Idee zu seinem komischen Krankenhaus-Thriller. Die Klinik, in der Dr. Brown das Skalpell schwingt, beschreibt Bazell als ein Tollhaus mit inkompetenten Ärzten und arroganten Schwestern. Doch Bazell macht sich nicht nur über das Krankenhaus-System lustig, eigentlich entgeht nichts seinem Spott. Die Mondlandung 1969 ebenso wenig wie die Mafia oder die Polizei. "Selbst in New York ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie verhaftet werden - ganz gleich, wer sie sind - hundertfünfzig Mal größer als die, dass sie überfallen werden." Die Dialoge sind rasiermesserscharf und pointiert, die Story aberwitzig: erstklassige pulp fiction.

Mit Dr. Brown hat Josh Bazell eine Hauptfigur kreiert, die mit ihrer lakonischen Sprache und Coolness das Zeug zu einem Hollywood-Helden hat. Dr. Brown kann nichts aus der Ruhe bringen, weder eine beschädigte Milzschlagader bei einer suboptimal verlaufenden Operation noch ein gnadenloser Killer in seinem Nacken.

Es macht einen Heidenspaß mitzuerleben, wie welchem Ideenreichtum Brown jedes seiner Probleme löst. Selbst als er in eine wirklich schier ausweglose Situation gerät, weiß er sich zu helfen. Weil er in Anatomie gut aufgepasst hat.

Josh Bazell Schneller als der Tod. Übers. von Malte Krutzsch. S. Fischer Verlag, 300 Seiten. 18,95 Euro