Dörte Rüter, die Chefdisponentin der Hamburgischen Staatsoper, geht in den Ruhestand und hat noch keinen Plan für ihre Zukunft

Hamburg. Wie nennt man das, wenn frühe Liebe auf den ersten Blick ein Leben lang hält? Das größte denkbare Glück? Dörte Rüter war elf Jahre alt, als sie an der Hand der großen Schwester erstmals die Staatsoper betrat. "Ich will hier tanzen", rief das Mädchen. Nun rufen Mädchen so einiges, wenn der Tag lang ist. In diesem Fall aber hatte die spontane Absichtserklärung Folgen, die dieser Tage zwar nicht an ihr Ende kommen, aber doch wieder einmal ihre Form verändern. Nach 54 Jahren innigster Verbundenheit mit der Hamburgischen Staatsoper geht Dörte Rüter zum 11. Juli als deren Chefdisponentin in den Ruhestand.

Wer ihr in die Augen schaut, sieht Herz, Mutterwitz, Lebenserfahrung und Nüchternheit. Keine Spur von Sentimentalität. Darum bedeutet es wohl zehnmal so viel wie bei einem gefühligen Menschen, wenn Rüter sagt: "Ich hänge unheimlich an dem Haus."

Seit 1956 war Dörte Rüter in der Reihenfolge ihres Auftretens: Tänzerin im Kinderballett, Sängerin in der Opern-Statisterie, ab 1963 im Corps de Ballet, bis 1979 Solistin des Balletts. Die ersten zwei Jahre nach ihrem Abschied von der Bühne verbrachte sie in der Dramaturgie. Rolf Liebermann holte sie 1981 ins künstlerische Betriebsbüro, sieben Jahre später wurde sie Chefdisponentin. Und was macht man so als Chefdisponentin? "Meine Aufgabe ist die technische Umsetzung der Wünsche der Intendanten", erklärt Rüter. Sängerverträge aushandeln, mit den Werkstätten reden, Scharnier sein zwischen der Idee und ihrer Realisierung. "Ich muss gar nicht die letzte Entscheidung haben", sagt die künstlerisch geprägte Verwaltungskraft, die das Repertoire aus dem Effeff kennt.

Und jetzt? "Ich kann gut loslassen", sagt die Frau, die für das Leben nach dem Tag X keinen ernsthaften Plan hat. Klar: mehr Zeit für Freunde, für Familie, für Reisen. "Aber ich muss das erst mal auf mich zukommen lassen." Schon vor zwei Jahren begann sie, die Weichen für ihre Nachfolge zu stellen, schließlich war der Abschied selbst gewählt. Eine Saison lang konnte ihr Nachfolger Tobias Hasan, ausgebildeter Sänger und seit fünf Jahren an der Oper, ihr über die Schulter schauen. "Berufsgeheimnisse konnte ich ihm gut verraten", sagt Frau Rüter. Für die Spielzeit 2013/14 sitzen beide bereits an Plan Nummer 65. "Immer wieder gibt es Änderungen. Die werden laufend eingearbeitet."

Als sie mit dem Ballett aufgehört hat, konnte sie zwei Jahre lang in keine Vorstellung gehen, so sehr schmerzte der Seitenwechsel. Dass ihr das noch einmal passiert, ist nicht auszuschließen. Aber es ist nicht sehr wahrscheinlich. Wenn Dörte Rüter sagt: "Mal sehen, ob ich ganz ohne Oper leben kann", dann klingt das nicht so, als hätte sie beschlossen, fürderhin aufs Glücklichsein zu verzichten.