Mit nur 38 Jahren ist der Schauspieler Frank Giering gestorben. Berühmt wurde er mit dem schönen Hamburg-Film “Absolute Giganten“.

Hamburg. Seinen wohl größten Film hat Frank Giering vor mehr als zehn Jahren gedreht. "Absolute Giganten" hieß das Debütwerk von Sebastian Schipper, das sich als eine der schönsten Überraschungen im deutschen Kino der Neunziger entpuppte. Eine Liebeserklärung an Jungsfreundschaften, eine Liebeserklärung an Hamburg. Zwei Schauspieler gingen dem Zuschauer danach nicht mehr aus dem Kopf: die unscheinbare, rotzgörige Julia Hummer. Und Frank Giering, ein blasser, verträumter Jüngling mit Hundeblick. Sein wilder Rollenname Floyd wollte so gar nicht passen zu dieser Träumerfigur mit der Gitarre, der sich nach nichts mehr sehnte als nach einem Leben in Freiheit.

Am Mittwoch ist Frank Giering im Alter von nur 38 Jahren in seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg verstorben. Ein Angehöriger, der vor Ort war, alarmierte die Feuerwehr; der Notarzt konnte gegen 21.30 Uhr nur noch den Tod des Schauspielers feststellen. Die Berliner Polizei hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, eine Obduktion ist angeordnet. Anzeichen für ein Fremdverschulden als Todesursache gebe es jedoch nicht, so Polizeisprecher Klaus Schubert.

Frank Giering hat mehr Kino- und Fernsehfilme gedreht als manch ein erfolgreicher 60 Jahre alter Schauspieler. Mal war er Feingeist, mal Fiesling, Terrorist und Trauerkloß. Oft gab er den Außenseitern ein Gesicht, den in sich gekehrten Figuren, die mit dem Leben nicht Schritt halten konnten.

Ihm lagen vor allem die leisen, doppelbödigen Charaktere. Das hat er 1997 in Michael Hanekes "Funny Games" bewiesen, als Junge von nebenan, der sich bei einer Familie nur ein paar Eier ausleihen will, dann aber anfängt, die Familie zu quälen. Nicht weniger glaubhaft war er in Maulhelden-Rollen, als Größenwahnsinniger und Wichtigtuer. Etwa in der Rolle des Terroristen Andreas Baader, den er 2002 kongenial verkörperte - ohne dem Vorbild im Entferntesten ähnlich zu sehen. Aber dessen proletarische Wut und das Kommandantengebrüll, das gelang Giering überzeugender als manch einem, der sich später an derselben Rolle versuchte.

Sich selbst hat Frank Giering einmal als schüchtern beschrieben. Sentimental. Mehr schwarz-weiß als bunt. Er ziehe es vor, entdeckt zu werden statt sich zu präsentieren, sagte er. Die Verlorenheit, die er vor der Kamera so überzeugend darzustellen vermochte - manchmal schimmerte sie auch in seiner eigenen Biografie durch.

Über seine langjährige Alkoholabhängigkeit und einen Klinikaufenthalt hat er öffentlich gesprochen. 20 Kilo hat er im Lauf der vergangenen Monate abgenommen, nicht für eine bestimmte Rolle, sondern für sich. Seine Diät, verriet er dem "Tagesspiegel" Anfang des Jahres: "Verliebt, Liebe, Liebeskummer - die drei Phasen aus einer Begegnung mit einer Frau im letzten Jahr."

1971 wurde der Schauspieler in Magdeburg geboren. Seine Eltern arbeiteten dort im Betonwerk, das man nach der Wende abwickelte. Giering lebte in seinem Kinderzimmer in Magdeburg, bis er 29 wurde. Er lernte das Schauspiel an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam, schloss das Studium allerdings nie ab. Geschadet hat ihm das nicht. Es ist ihm gelungen, ein gefragtes "Fernsehgesicht" zu werden und ein Geheimtipp für anspruchsvolle Kinoproduktionen zu bleiben. Sein Name steht für Qualität und Kontinuität - und für ein Zuschauerverblüffungstalent. Immer wieder neue Seiten konnte man an diesem Darsteller entdecken. Gerne sieht man ihn im "Kriminalist" als granteligen Assistenten Henry Weber, der von seinem gutmenschelnden Chef (Christian Berkel) oft genervt ist. Die ZDF-Serie wird derzeit gedreht; wie es ohne Giering weitergehen soll, ist noch offen. Im Kino gab er zuletzt in "Jerry Cotton" einen waffenverrückten Rezeptionisten.

Was bleibt von Frank Giering, ist die Erinnerung an sein blasses Gesicht mit den weichen Zügen und den treuen, blauen Augen. Und - neben seinen vielen großen Rollen - das kleine Meisterwerk "Absolute Giganten" mit seiner unvergesslichen letzten Szene. Ganz langsam geht Floyd da zur Elbe hinunter, nach der letzten gemeinsamen Nacht der Freunde, und verliert seinen Blick in den vorbeiziehenden Kränen. Ganz so, als würde er wissen, dass dort draußen irgendetwas auf ihn wartet.