Annemarie Stoltenberg erzählt von wütenden und tanzenden Wörtern in Patricia Dunckers Roman “Der Komponist und seine Richterin“.

Es gibt Autoren, die ihren Lesern die Freizeit verzaubern. Patricia Duncker ist eine solche Autorin. Sie jubelt, wütet, tanzt mit Wörtern, gurrt und liebt. Sie beschreibt Orte und Dinge auf eine so intensive Weise, dass man überall sofort auch hin möchte, auch selbst alles sehen, alles anfassen. Wenn ihre Heldin in einen Garten geht, hat man noch nie vorher eine solche Üppigkeit, Erlesenheit und Schönheit erblickt.

Selbst wenn sie ihre Heldin einfach nach Lübeck reisen lässt, möchte man sofort auch mal wieder hin und mit den Augen dieser Autorin sehen können, oder wie sie eine Wagner-Oper hören: "Wagner ist immer gnadenlos, er packt dich am Herzen und zieht dich dorthin, wo er dich haben will. Hinter seiner Macht steckt Methode. Errichte Hindernisse, mache Ausflüchte, zögere hinaus. Lass das Leck in der Staumauer sichtbar und greifbar werden, lass schon einen ersten warnenden Strahl hervorschießen. Dann setze alles, was verheißen und begehrt wurde, in einer einzigen mächtigen Flutwelle frei. Löse deine Versprechen ein ..." In dieser Beschreibung steckt durchaus Patricia Duncker selbst, sozusagen als Richard Wagner des Kriminalromans. Ihr neuer Roman kommt als dramatisch aufgeladener Krimi daher. Sie hat einen hohen Ton, riskiert immer alles, mit jedem einzelnen Wort. Und ganz nebenbei: Man muss das schon mögen, so viel Gefühl in der Literatur - sonst ist man hier falsch.

Die Geschichte ist ziemlich verwickelt und sei hier nur angedeutet. Eine Richterin ist spezialisiert auf die Verfolgung dubioser Machenschaften von Sekten. In einem Tal in der Schweiz finden Jäger kurz nach der Neujahrsnacht 2000 eine Gruppe von Toten. Offensichtlich handelt es sich um Mitglieder einer Sekte, die hier gemeinsam Selbstmord begangen haben. Bei Patricia Duncker lernt man Menschen kennen, die wie zur Zeit des Barock überzeugt davon sind, dass es hienieden noch nicht das Glück geben kann, sondern die Erfüllung erst im Jenseits zu erwarten sei. Gut, dies Buch im Sommer zu lesen, wenn draußen alles grün, prall und in helles Licht getaucht ist.

Patricia Duncker: Der Komponist und seine Richterin. Roman. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. 360 Seiten. Berlin Verlag. 24,-Euro

In "Aufgeblättert" stellen im Wechsel Annemarie Stoltenberg (NDR), Rainer Moritz (Literaturhaus) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) ihre Buchtipps vor.