Am 17. Drehtag des neuen Hamburg-“Tatorts“ verschlägt es das Team um Mehmet Kurtulus in der Rolle des Ermittlers Cenk Batu nach St. Pauli.

Hamburg. Das Gesicht sah schon mal besser aus. Veilchen, Schrammen, blutunterlaufene Augen. Und das Outfit erst: taubenblaue Kunstlederjacke zu dunkelblauer Bundfaltenhose, im weiten Hemdausschnitt baumelt ein Silberkettchen mit Kreuzanhänger. Vom Schnäuzer wollen wir gar nicht erst reden. Muss man mögen, so was. Ist das wirklich Deutschlands coolster "Tatort"-Kommissar - der harte Hund Cenk Batu, gespielt von Mehmet Kurtulus, mit der Whiskymelancholie in der Stimme und der Unbestechlichkeit im Blick?

Er ist es. Dank Kunstblut und einer einfallsreichen Maskenabteilung. Dieses Mal ist Balkan-Schick gefragt, Batu verdingt sich als Fahrer einer osteuropäischen Organhändler-Bande - undercover versteht sich. Als er entdeckt, dass seine Auftraggeber auch vor Kinderhandel nicht zurückschrecken, bringt er kurzerhand die 14-jährige Amelie in Sicherheit - und provoziert damit ein mögliches Scheitern seines Einsatzes.

Es ist der 17. Drehtag, und Mehmet Kurtulus ist gut gelaunt. Auch dem vormals liebeskummergeplagten Batu gehe es wieder gut, sagt der Schauspieler: "Er war in der Türkei bei seinem Vater und hat seine Batterien aufgeladen. Nun kommt er wie neugeboren nach Hamburg zurück ." Grinsen, das besagt: Ein bisschen Prügel muss man in so einem Job aushalten können. Außerdem gehe es dieses Mal "ein bisschen körperlicher und temporeicher zu als im letzten Hamburg-'Tatort'".

"Leben gegen Leben" (Buch und Regie: Nils Willbrandt, Produktion: Studio Hamburg) heißt der neue Fall, der noch bis Mitte nächster Woche gedreht wird. Im Hafen und am Jungfernstieg, in Hammerbrook und eben auf dem Kiez. Genauer: vor dem Döner-Imbiss in der Clemens-Schultz-Straße, bei Sonnenschein, laufendem Mittagsbetrieb und immer wieder unterbrochen von hupenden, trötenden, grölenden Fans in Deutschland-Trikots. Tee in kleinen Gläsern wird serviert, Salate und riesenhafte Fleischspieße; es ist nicht einwandfrei zu entscheiden, wer hier gecastet ist und wer ein normaler Gast, der nur seinen Hunger stillen will. Könnte sein, dass gerade das die Szene im späteren Film besonders glaubhaft aussehen lässt. Im Zentrum des Films, sagt NDR-Redakteurin Stefanie Fromm, stehe die Frage: "Riskiert man das Leben eines Menschen, um das Leben vieler zu retten?"

Dass es keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt, dass Cenk Batu in einen persönlichen Gewissenskonflikt gerät, versteht sich fast von selbst. Aber was richtig ist und was falsch, das hat diese Figur ja ohnehin immer mit sich selbst ausgemacht, Gesetze hin, Vorgesetzte her.

Das Leben, das es in diesem "Tatort" zu retten gilt, ist das von Amelie, gespielt von der Nachwuchsschauspielerin Michelle Barthel, ein schlaksiges Mädchen mit Zungenpiercing, ausgewachsenen Strähnchen und Kapuzenpulli. "Erfrischend" nennt Mehmet Kurtulus die Zusammenarbeit, der noch nie zuvor mit Kindern und Jugendlichen vor der Kamera gestanden hat. "Sie hat einen ganz eigenen schauspielerischen Ansatz."

Überhaupt soll dieses Mal so einiges anders werden beim "Tatort", der Ende Oktober in der ARD ausgestrahlt wird - oder zumindest anders als im letzten Fall "Vergissmeinnicht", diesen für einen Krimi sehr stilisierten Film, in dem die Beziehung zwischen Hauptfigur und seiner Affäre viel Raum einnahm. Peter Jordans Rolle des LKA-Mannes Uwe Kohnau wurde ausgebaut, er und Batu ermitteln enger zusammen. Die Handkamera kommt verstärkt zum Einsatz. Und Batu steht vor einer seiner schwersten Entscheidungen. Die paar Schrammen im Gesicht, die sind nun wirklich nicht sein größtes Problem.