Am Wochenende sind Harley Days auf dem Großmarkt

Nach dem Einkauf mit dem Hackenporsche schwingen sich deutsche RentnerInnen mit zunehmender Begeisterung aufs Motorrad. Das erklärt unter anderem, warum die meisten Harleys so infernalisch laut sind. Das nachlassende Gehör lässt die phonstarke Lärmbelästigung als angenehmes Brummeln empfinden.

Das Durchschnittsalter der motorisierten Zweiradfahrer ist in der jüngsten Dekade von 35 auf knapp 42 Jahre hochgeschnellt, während die jungen Leute das einst so geliebte Moped zunehmend mit Desinteresse strafen. Ihre Vorbilder heißen nicht mehr James Dean, Marlon Brando, Peter Fonda oder Dennis Hopper. Das Easy-Rider-Feeling holt man sich mit der Wii, im Netz oder beim Komasaufen.

Die Verschiebung der Altersstruktur innerhalb der gut vier Millionen Menschen umfassenden Zielgruppe hat vor allem für die Medizin fatale, nicht zuletzt letale Folgen: Schließlich gelten Biker als relativ zuverlässige Organspender, besitzen sie doch gegenüber den Autofahrern die statistisch 14-fach größere Chance, im Straßenverkehr ihr Leben zu verlieren - und die Zahl der tödlichen Zweiradunfälle steigt tatsächlich kontinuierlich an. Denn obwohl für Sex and Drugs and Rock 'n' Roll im Prinzip längst zu alt, führt die biologisch begründete Vernunft nicht zwangsläufig zu einer Senkung der Todesrate bei Unfällen. Den fehlenden Unfallfaktor Leichtsinn, der vorwiegend die jungen Leute aus den Kurven heraus in die Wicken hinein katapultiert, machen SeniorInnen durch ihre größere Unsicherheit in Verbindung mit schlechteren Reaktionszeiten locker wett.

Wer trotz dieser Gefahren heutzutage ein richtiges Motorrad fahren will, muss jedoch erstmal viel Geld ausgeben. Die Zeiten, als man den "Ofenlappen" quasi nebenbei mit einer sauberen Acht auf dem Hof der Fahrschule erlangen konnte, sind vorbei. Durchschnittlich 1500 Euro kostet heute ein Motorradführerschein, zusätzlich zur "normalen" Fahrerlaubnis. Und dann die Anschaffungskosten erst: Der Einstiegspreis für ein "vernünftiges" Motorrad, das technisch und vielleicht auch optisch was hermacht, liegt inzwischen bei etwa 7500 Euro.

Aber es gibt ja zum Glück die Rentner, die sich das teure Hobby leisten können und mal eben für durchschnittlich (!) 20 000 Euro einen 400 Kilogramm schweren Hobel ordern, den sie eigentlich kaum mehr halten können. Aber viele Händler bleiben skeptisch. Denn der Altersruhesitz Motorrad ist zumeist an die Restlebenslaufzeit gekoppelt. In dieser Zielgruppe lässt sich durch Modellwechsel eben kaum Geld verdienen, sondern fast nur durch Wartungsintervalle sowie den Verschleiß- und Ersatzteilverkauf - nicht zuletzt also auch durchs häufigere Umkippen der Maschine.

Einige findige Unternehmer und Unternehmen nutzen den Trend und gehen rührend auf die speziellen Bedürfnisse der behelmten SeniorInnen ein. BMW beispielsweise bietet bei seinen Spitzenmodellen Griff- und Sitzheizungen längst serienmäßig an. Ebenfalls bei den grauhaarigen Bikern sehr beliebt sind die geriatriegeeigneten Sitzbänke des amerikanischen Herstellers Corbin mit integrierter Rückenstütze. Noch individuelleren Sitzkomfort verschaffen die orthopädischen Sitzbänke der Berliner Sattlerei Kaskana, die dem jeweiligen Versehrtengrad bis zum endgültigen Abstieg sogar individuell angepasst werden können.

Auf diese Weise wird auch der Begriff "AOK-Chopper" endlich mal gerade gerückt.

Hamburg Harley Days 2010 25.6.-27.6., Fr 12.00-24.00, Sa 11.00-24.00, So 11.00-18.00, Großmarkt-Gelände (U Steinstr., S Hammerbrook), Amsinckstraße, Info-Hotline: T. 30 08 52 48; www.hamburgharleydays.de