Das Drama “Illegal“ erzählt die beklemmende Geschichte einer Frau in Abschiebehaft

Hamburg. Sie redet immer leise. Nichts an ihr ist laut. Die Nacht ist ihr Freund. Sie fühlt sich sicher, wenn ihre Bewegungen von Schatten verschluckt werden, wenn niemand ihre verängstigten Bewegungen sieht. Die Russin Tania (Anne Coesens) lebt mit ihrem Sohn Ivan seit acht Jahren illegal in Belgien; die Behörden haben ihren Asylantrag abgelehnt, mithilfe gefälschter Papiere hat sie sich einen Job suchen, ihren Sohn auf eine Schule schicken können.

"Ein Leben als Illegaler muss man sich vorstellen wie Autofahren ohne Stoßdämpfer, wie Artist ohne Netz", hat die "Süddeutsche Zeitung" einmal geschrieben. Es ist, als hätte Regisseur Olivier Masset-Depasse diesen Satz verfilmt. Das Unsichtbare im Gesellschaftlichen sichtbar zu machen, die elementaren menschlichen Beziehungen aufzuzeigen ist Ziel dieses Films und großartig gelungen. "Illegal" erinnert an Filme der belgischen Dardenne-Brüder, die für ihre beklemmenden Werke oft in Cannes ausgezeichnet werden.

Das Abschiebegefängnis, in das Tania nach einer Polizeikontrolle, bei der sie sich nicht ausweisen kann, verwiesen wird, erinnert mit seinen grün verputzen Wänden an eine geisterhafte Badeanstalt. Ein Ort, der seinen Insassen wenig Hoffnung macht. Die Frauen stehen Schlange für warmes Wasser, wer ein paar Stunden putzt, kann sich vom mageren Lohn anschließend eine Telefonkarte kaufen.

Es sind die kurzen Gespräche mit Ivan, die Tania jene Kraft geben, die sie eigentlich nicht hat. Den Kopf immer leicht gesenkt, eingemummelt in ein Kapuzensweatshirt, ein seltsam verspannter Rücken - so bewegt sie sich durch die engen Gänge, während die Kamera ihr im Nacken sitzt. Wie ein Tier in der Falle wirkt diese Frau, die überall Gefahr wittert. Diese ständige Ahnung einer Bedrohung verleiht dem Film eine ungeheure Spannung.

"Illegal" erzählt eine Geschichte über den unschätzbaren Wert des Lebens. Und darüber, dass Europa sehr kalt sein kann.

Von einer Schrecksekunde zur nächsten hangelt sich Tania durch ihr Leben. Sie gibt auch auf Drängen von Anwälten, Wärtern, Beamten ihre Identität nicht preis - nur dem kleinen Mädchen mit den viel zu ernsten Augen für ihr Alter verrät sie ihr Geheimnis: dass sie einen Sohn hat, draußen vor den Gefängnismauern, der auf sie wartet und zu dem sie zurückkehren muss, koste es, was es wolle. Ihr liebster Mensch, ihre Schwachstelle.

Eigentlich ist "Illegal" zu brutal, zu schmerzhaft, zu unversöhnlich, um ihn dem Zuschauer zu empfehlen. Wer die Kälte aushält, wird am Ende mit einer Umarmung belohnt, an die man fast schon nicht mehr geglaubt hat.

"Illegal" heute, 23.15 Uhr, WDR