Kolja Blacher und das Mahler Chamber Orchestra legen eine furiose “Kreutzersonate“ vor

Wenige Instrumentalduos haben eine so prominente Karriere gemacht wie Beethovens Sonate A-Dur op. 47 für Klavier und Violine, genannt "Kreutzersonate". Das gewaltige Werk ist ein Markstein für jeden Geiger, der auf sich hält, eine Herausforderung an die spieltechnische Virtuosität und mehr noch an Überblick und geistige Spannkraft.

Jetzt hat der Geiger Kolja Blacher, ein Solist und Orchesterleiter von Graden, sich das Stück unter einem ganz besonderen Blickwinkel vorgenommen. Statt mit einem Pianisten hat er es mit dem Mahler Chamber Orchestra zusammen eingespielt, einer der weltbesten und künstlerisch eigensinnigsten Formationen dieses Genres überhaupt. Ein Orchester durch ein Klavier zu ersetzen, das kennen wir, das ist gute Korrepetitorenübung. Aber umgekehrt? Betreten vollkommen unerwartete Gäste die Bühne im Kopf. Plötzlich klingen die furiosen Sechzehntel im Kopfsatz nach den abgründigen Sinfonien Carl Philipp Emanuel Bachs, und die Kantilenen haben die elegische Weite eines Edvard Grieg. So fein phrasieren die Streicher, so untrennbar verschmilzt ihr Klang, dass man mitunter einen Orgelchoral zu hören meint - und das Finale hat in seiner kontrollierten Rasanz etwas Hochmodernes. Dass diesem Ereignis bei aller Perfektion aber nichts Digitales anhaftet, dafür sorgt Blachers hochemotionales Spiel, das auch vor romantischen Tempofreiheiten nicht zurückschreckt.

Und zum Schluss treiben das Orchester plus Streichquartett unter Blachers Führung die Tradition noch vor sich her in die Zukunft. Søren Nils Eichbergs Concerto Grosso "Endorphin", uraufgeführt 2011, spielt mit den alten Formen und bricht sie auf zu Clustern, pochenden Schlägen auf die Saiten, zu schneidenden Bläserakkorden. Spannender kann kein Krimi sein.

Kolja Blacher, Mahler Chamber Orchestra: "Eichberg Beethoven" (phil.harmonie)