Sieben Mitglieder des Improvisationstheaters Hidden Shakespeare haben ohne Drehbuch den Film “Heiligabend mit Hase“ gedreht.

Abaton. Es soll Leute geben, die am liebsten täglich unterm Weihnachtsbaum sitzen würden. Diesen Unverbesserlichen kann geholfen werden: Sie dürfen mitten im kalendarischen Sommer "Heiligabend mit Hase" feiern, heute Abend im Abaton-Kino. Dann kommen auch die Schauspieler der Hamburger Improvisationstheatergruppe Hidden Shakespeare zur Vorstellung. Die sieben Stegreifkomödianten haben in nur drei Stunden die Szenen des köstlichen Weihnachtsmahls improvisiert: kein Drehbuch, keine Wiederholungen und keine Unterbrechungen. Als Ergebnis serviert das eingeschworene Team eine witzige Satire mit viel Situationskomik und unvorhersehbaren Wendungen auf dem fein gedeckten Tisch. Und auf der Kinoleinwand.

Clemens hat sich den Fuß verstaucht: Lüge oder Wahrheit? Jedenfalls vergisst der lässige Zyniker, mit trockenem Biss gespielt von Rolf Claussen, irgendwann zu humpeln. Die Ausrede nützte dem gehörnten Fernsehfuzzi in der Nachbeziehungskrise also auch nichts. Rebecca und Renate, seine Schwestern, rücken mit ihren Männern an. Kirsten Sprick gibt die "Vorstadtpomeranze" aus Pinneberg, Steffen Lau ihren Gatten Ulrich. Der Doktor hat das Essen genauestens geplant, greift in der Küche routiniert zum mitgebrachten Arzt-Besteck. "Es gibt nichts Besseres als Chirurgenstahl, der ist sehr scharf", doziert er und weidet sachkundig das Tier aus, um es in einer "Operation" zu füllen und zuzunähen. "Es muss auf den Punkt gegessen werden." Denkste.

Für die weihnachtliche Dekoration und Stimmung sorgen Renate und Gerd. Die frisch Verliebten schleppen einen Weihnachtsbaum an. "Harzt der noch?", mosert Clemens und mahnt: "Ein bisschen Vorsicht mit dem Laminat." Die beiden sind Vegetarier: "Wir essen nichts, was Eltern hat", flötetMignon Remé und gibt krisen- undtränenreich eine Kirchenmaus, die es mit allen nur gut meint: "Wichtig ist, dass wir uns alle lieb haben."

Heute Heiligabend

Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Alte Animositäten, Eifersüchteleien und Sticheleien eskalieren bald zumoffenen Krach. Kommentar des ohne Vater und Mutter aufgewachsenen Gerd: "Ich finde es schön, wie offen ihr eure Konflikte austragt." Über den Neuen von Renate zieht die Familie ihrerseits in flüchtiger Einigkeit gehässiggackernd her. Aber wer zuletzt lacht, das ist das "Heimkind" Gerd. Er hält nämlich ein Überraschungsgeschenk in der Hinterhand.

Beim ersten Wiedersehen der Geschwister nach dem Tod der Mutter geht es auch um ihren Nachlass und das leer stehende Blankeneser Haus. Doch vor der totalen Pleite des Erbstreits mit böser Pointe sorgt Renate für ein unwillkommenes, aber ulkiges Intermezzo: Sie hat Andreas (Frank Thomé) und Ludmilla aus Wolgograd (Katie Freudenschuß) eingeladen. Der Engel mit Heiligenschein aus weißem Plastikplüsch trällert mit russischem Akzent Weihnachtslieder, wonach der Doktor aus Pinneberg ausrastet: "Ich feiere nicht mit wildfremden Leuten am Tisch."

Bei "Heiligabend mit Hase" fließen zum Vergnügen des Zuschauers reichlich Alkohol und (Lach-)Tränen. Als Vorfilm ist "Mädchenabend" zu sehen, Timo Beckers Ausflug zweier Seniorinnen in einen Männerstrip-Schuppen erhielt den Max-Ophüls-Publikumspreis - wie auch "Heiligabend mit Hase". Regisseurin Lilli Thalgott würzte ihr filmisches Mehr-Gänge-Menü für Feinschmecker nicht zu knapp mit zündender Komik und einer raffinierten Schärfe. Wer sich nach der "Friedensfeier" unterm Christbaum immer noch auf Weihnachten freut und den Harmoniezwang am Heiligen Abend mit den doch immer falschen Geschenken nicht erwarten kann, der gehört wahrlich zu den Unverbesserlichen.

"Heiligabend mit Hase" Di 26.6., 19.00, Abaton (Metrobus 4/5), Allende-Platz 3, Vorstellung mit Gästen, Karten zu 7,50, erm. 6,50 unter T. 41 320 320; www.abaton.de