“Die Sprache des Feuers“ von US-Autor Don Winslow ist ein fulminanter Kriminalroman. Am 2. November liest der Autor auf Kampnagel.

Eigentlich wollte Jack Ward nur ein wenig mit seinem Surfbrett, einem alten Hobie-Longboard, auf dem Meer unterwegs sein, als er zum einen eine schwarze Rauchfahne sieht, die hinter dem Strand aufsteigt. Und ihn zum anderen eine Riesenwelle packt, die ihm die Luft und fast das ganze Leben raubt. Was natürlich nicht passiert, schließlich ist Jack Ward der Held in Don Winslows Kriminalroman "Die Sprache des Feuers". Ward ist Schadensregulierer bei der Versicherung California Fire and Life, sein Autor Winslow ist aktuell der unumstrittene Star der amerikanischen Krimiszene. Was auch sein jüngster Roman belegt.

Nachdem Ward nun der Wucht der Welle entkommen ist, wartet schon das nächste Problem. Die Rauchfahne am Horizont, klar. Dort brennt gerade das prunkvolle Anwesen des exilrussischen Immobilienmanagers Nicky Vale nieder. Wobei nicht nur Vales kostbareAntiquitäten pulverisiert werden, sondern auch seine junge Frau Pamela in den Flammen ihr Leben lässt.

Als Jack Ward am Brandort auftaucht, sind ihm zwei Dinge klar: Als Erstes sieht er Brian Bentley, einen feisten, tranigen Bullen, der mit Schuld daran hatte, dass Ward vor zwölf Jahren seinen Job als Brandermittler bei der Polizei quittieren musste. Es wird also Ärger geben. Zum Zweiten weiß Ward, dass viel Arbeit auf ihn zukommt, denn Bentley ist ermittlungstechnisch ein Mann der Schnellschüsse. Also auch hier: Die Tote soll im Bett geraucht haben, wodurch das Feuer ausgelöst worden sei. Punkt, aus, alles klar, Feierabend für Bentley. Ward - natürlich - glaubt kein Wort.

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Wie Winslow fortan seine Geschichte erzählt, das hat ganz großes Format, weil er eine Welt der Details ausbreitet: Er lässt Ward mit nahezuakribischer Lust in den Ascheresten wühlen, um den Weg der Flammen und somit die Wahrheit rekonstruieren zu können. Ward dechiffriert die "Sprache des Feuers" mit einer verblüffenden Fülle brandtechnischer Details.

Was handlungstechnisch langweilig klingen mag, ist die Hohe Schule des prägnanten Erzählens. Und was Hölderlin einst mit dem Begriff "buchstabengenau" formuliert hat, nämlich den Zustand der Zeit, das trifft den Kern des winslowschen Schreibens: Die Dinge sind bei ihm auf den Punkt gekommen.

"Die Sprache des Feuers" ist bereits der neunte Kriminalroman, der von Don Winslow, 58, auf Deutsch erscheint. "Die Auferstehung des Bobby Z" brachte dem gebürtigen New Yorker, der heute in Kalifornien lebt, Mitte der 1990er-Jahre international den Durchbruch; "Zeit des Zorns" ("Savages") ist von Oliver Stone verfilmt worden und kommt im Herbst in die Kinos. In etwa zeitgleich wird der Roman "Kings of Cool" erscheinen, aus dem Don Winslow im November beim Hamburger Krimifestival lesen wird.

"Die Sprache des Feuers" ist auch das Sittenbild einer moralisch verrohten Gesellschaft, deren Rechtsauffassung Don Winslow mit aller Schärfe seziert. Selten war Geld so schmutzig wie hier. Selten lagen so viele dunkleFlecken auf der Sonne Kaliforniens. Selten war ein Ermittler derart penibel, ja verbissen wie Jack Ward.

Als er der Asche entsteigt, ist er alles andere als ein Phönix, kein strahlender Sieger, dessen hartnäckige Recherchen der Gerechtigkeit Genüge getan haben. Vielmehr steckt Ward mittendrin in der übermächtig scheinenden Intrige des Bösen, die dem Immobilienhai Vale offenbar wieder zu Ruhm und Reichtum verhelfen soll. Und das Opfer soll Jack Ward sein, der eigentlich nur seine Arbeit als Schadensregulierer gemacht hat. Wobei der allerdings übersehen hat, wo seine Gegner sitzen - in der Politik, an der Spitze des Versicherungskonzerns und in der Polizeiführung. So wird aus dem Kläger um ein Haar der Angeklagte in einer groteskinszenierten Verhandlung, die jedes Rechtsempfinden schlicht auf denKopf stellt.

Und ganz am Ende wird Feuer mit Feuer vergolten. Ein filmischer, ein gewaltiger Showdown. Ein fulminanter Roman.

Der Autor liest am 2. November beim 6. Hamburger Krimifestival auf Kampnagel. Der Vorverkauf läuft.

Don Winslow: "Die Sprache des Feuers". Deutsch von Chris Hirte, Suhrkamp, 419 S., 14,99 Euro