Die Lead Awards präsentieren die stärksten Fotos, Reportagen und Cover des Jahres in den Deichtorhallen. Auch große Namen fehlen nicht.

Hamburg. Ein gezeichnetes Männchen und darüber die knappe Zeile "Loriot / Eine Verneigung". Rumms. Das sitzt. Die Leerstelle, der Verlust der Künstlerpersönlichkeit wird schmerzlich spürbar. Für den Titel der Ausgabe 35 erhielt "Der Spiegel" das Prädikat "Cover des Jahres" in Gold bei den diesjährigen Lead Awards, die gestern zum neunten Mal in Hamburg verliehen wurden. Die großen und kleinen Krisen- und Glücksmomente in der Welt, an der Kunst lassen sie sich ablesen. Auch an jener, die in Magazinen, Werbung, auf Websites - und nicht zuletzt in Zeitungen publiziert wird.

Komprimiert ist das in diesem Jahr erneut an der die Lead Awards begleitenden Bestenschau der Branche, "Visualleader2012", abzulesen. Seit 2006 ist die Preisverleihung dank einer Initiative der Hamburger Fotografenlegende F. C. Gundlach mit einer großen Publikumsausstellung verbunden. Bis zum 26. August lädt sie im Haus der Photographie der Deichtorhallen ein, große Momente in Fotografie, Magazinen, Webauftritten und Kampagnen zu entdecken. Sie ist mehr als nur eine Nabelschau, bietet sie doch einen Brennglasblick auf die Gegenwart.

Neben den üblichen Verdächtigen wie "Spiegel", "Stern", "SZ-Magazin" oder "Zeit-Magazin" finden sich unter den 21 Nominierten viele künstlerisch ambitionierte Nischentitel. Zum Leadmagazin des Jahres wurde nicht etwa eines der großen Publikumsmagazine gekürt, sondern "Max Joseph", ein Magazin, das die Bayerische Staatsoper und der Verlag Hoffmann und Campe nach einer Idee von Intendant Klaus Bachler aufgelegt haben.

Vor nunmehr 20 Jahren hatte der Fotograf Horst Wackerbarth ("Die rote Couch"), unzufrieden mit den gegenwärtigen Zeitungen und Zeitschriften, eine erste Shortlist aufgesetzt. Im Jubiläumsjahr sind die Lead Awards der größte Online- und Printmedienpreis Deutschlands, seit 2002 ist Markus Peichl Chef der Lead-Academy. An der stets gut besuchten Publikumsschau zeige sich, "dass die Faszination groß und Print nicht tot ist", so Peichl bei der Präsentation. Die Trendschau ist auch ein Bekenntnis zu Hamburg. "Die Fotografie- und Kreativszene ist hier von besonderer Wichtigkeit", so der Kurator für Fotografie der Deichtorhallen, Ingo Taubhorn. "Hamburg ist die größte Verlagsstadt in Deutschland."

Lead Awards 2012: Der richtige Titel ist eine Kunst

Fast nur Nischentitel für Lead Awards nominiert

Über 180 verschiedene Beiträge haben eine Fach- und eine Hauptjury aus 400 Zeitschriftenjahrgängen herausdestilliert und dabei kuriose und gelungene Independenttitel entdeckt, wie das sich konsequent einem bajuwarischen Themenkreis widmende "Muh"-Magazin, das Silber in der Kategorie Newcomer des Jahres gewann, oder das Freizeitfreuden sehr minimalistisch und pur einfangende "The Weekender", ausgezeichnet mit Gold. "Wir wollen denen, die es schlecht machen, zeigen, wie es besser geht", sagt Peichl selbstbewusst. Eine breite Förderbasis und die Vergabe durch die kreativen Macher selbst sichere die Unabhängigkeit.

Erstmals dabei sind in diesem Jahr Tages- und Wochenzeitungen. "Online übernimmt die Funktion von Zeitungen, Zeitungen übernehmen immer stärker die Funktion von Zeitschriften", so Peichl. Neue Erzählweisen entstehen. Andere Blickwinkel. So hat der Minimal Artist Ellsworth Kelly etwa eine ganze Ausgabe der Tageszeitung "Die Welt" gestaltet "Hier ist Kunst Zeitung und Zeitung Kunst. Das gehört zusammen", so Peichl.

Die "B.Z." hat zu 60 Jahre Mauerbau eine "Ost-West-Ausgabe" produziert. In der Ost-Ausgabe fehlten die Berichte über Westberlin, die Westausgabe enthielt weiße Stellen, in denen es um den Ostteil ging. Aus dem Medium heraus wurde Kreativität entwickelt. Dafür teilen sich "Die Welt" und die "B.Z." den Gold-Titel Einzelleistung des Jahres. Zeitung des Jahres wurde die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Bei Online-Medien ist eine größere Normalität zu beobachten. Gewinner in der Kategorie "Webblog des Jahres" wurde "Haw-Lin", auf dem die Berliner Jacob Klein und Nathan Cowen täglich eigene Bildwelten kuratieren.

Die Kriegs-, Katastrophen- und Krisenmomente in der Welt schlagen sich im exakten Blick der Reportagefotografie nieder. Julian Röder etwa hat für seine mit Silber dekorierte Arbeit "Waffen für Arabien" im "Zeit-Magazin" Nr. 14 eine Messe in Dubai zu dem Zeitpunkt dokumentiert, als der Arabische Frühling in Ägypten, Tunesien, Libyen losbrach. Er präsentiert keine Demonstrierenden, sondern eine verblüffende Gegenwelt, Scheichs, die sich mit Gewehren eindecken. Gold ging an Paolo Pellegrin, der in seiner wöchentlichen Rubrik "Paolo Pellegrins Expeditionen" im "Zeit-Magazin" Nr. 1 bis 52 Ästhetik und zeitgeschichtliche Relevanz gekonnt zusammenführt.

Der vergoldete Beitrag des Jahres im "SZ-Magazin" Nr. 12 fängt den schicksalsträchtigen Moment des vergangenen Jahres ein, die Atomkatastrophe von Fukushima. "Der Morgen davor / Japan, wie es nicht mehr sein wird" zeigt eben noch ein spielendes Kind - und plötzliche Schwärze. Das Foto des Jahres voll sorgenvoller Gesichter hielt Pete Souza fest. "Im Angesicht des Feindes / Der Krisenstab im Weißen Haus während der Erschießung von Osama Bin Laden" erschien im "Spiegel" Nr. 17.

In der Modefotografie ist nach dem von Juergen Teller begründeten, Scheinwelten entlarvenden "Heroin Chic" der 1990er-Jahre der Glamour zurückgekehrt, allerdings deutlich verhaltener. Das Emotionale steht im Vordergrund. Und so ist beim Sieger der Kategorie "Mood- und Modefotografie des Jahres", Walter Pfeiffer und seinem viel Haut zeigenden "Portfolio" in "Monopol" Nr. 11, kaum auszumachen, dass es in Wirklichkeit um Klamotten geht.

Große Namen wie Fischli und Weiss, Peter Lindbergh, Juergen Teller und Wolfgang Tillmanns fehlen bei den Nominierten nicht. Es gewinnt aber die beste Idee: Henrik Malström dokumentierte das Sterben seiner Schwester für das Magazin "Dummy" Nr. 33 und gewann Bronze. Er war früher Praktikant in den Deichtorhallen.