Das Boulanger Trio schreitet unbekümmert zur Tat

Hamburg. Alle Welt zerbricht sich den Kopf über Musikvermittlung, über niedrigschwellige Angebote und neue Konzertformate - ein junges Kammermusikensemble aber schreitet unbekümmert zur Tat und siegt auf ganzer Linie. Gerade stieg auf Kampnagel das zweite Konzert der Reihe "Boulangerie", die das Berliner Boulanger Trio im April ins Leben gerufen hat.

Das Konzept folgt dem Muster der Salons, zu denen einst die Komponistin Nadia Boulanger, die Namensgeberin des Ensembles, in Paris lud: Die jungen Damen spielen ein Werk aus dem traditionellen Repertoire für Klaviertrio - aber nicht irgendeins, sondern eins, das ihrem special Guest besonders am Herzen liegt. Im Zentrum jedes Konzerts steht nämlich ein zeitgenössisches Werk. Dessen Verfasser ist dabei und plaudert zwischendurch auf dem Podium mit den Künstlerinnen über seine und andere Musik und seinen Zugang dazu.

Dieses Mal kam Evan Gardners "signal interrupted, attempting to reconnect" zur Aufführung, vor wenigen Tagen erst bei der Parallelreihe im Berliner Radialsystem aus der Taufe gehoben. Die Gattungsbezeichnung "Klaviertrio" griff freilich etwas kurz. Wie der technische Titel vermuten ließ, hatte Gardner, Jahrgang 1978, die klassischen Instrumente um ziemlich heutige Hilfsmittel erweitert. Die Pianistin Karla Haltenwanger rüstete den Flügel mit einer Spülbürste, einem Holzhammer und Ähnlichem auf. Während die rechte Hand die Klaviertasten bediente, spielte die linke virtuos auf einem Diktiergerät: Haltenwanger nahm Tonfetzen auf und mischte sie in Loops in die Live-Klänge, sie führte das Gerät in die Nähe eines Taschenradios und eines Smartphones und erzeugte Rückkopplungen. Zentrales Klangmotiv aber war das Zwitschern, das das Tonband beim Zurückspulen von sich gab und das die Geige perfekt imitierte. In diesem geistreich-zarten Gewebe führten die Alltagsklänge ein poetisches Eigenleben, und bei aller Geräuschhaftigkeit entstand eine musikalische Spannung.

Vorweg spielten die drei das Klaviertrio von Ravel aus dem Jahre 1914. Ein makelloser, analytischer Ravel war das, so tonschön, wie die Eierkartonakustik des Saals es zuließ. Manch raffinierter Klangeffekt tauchte später als Reminiszenz bei Gardner wieder auf.

Hinterher standen die Künstler und ihr aufmerksames Publikum noch bei Käse und Wein beisammen, das gehörte zum Konzept. So einfach. Und so wirkungsvoll.