Senta Berger und Bruno Ganz brillieren in dem Drama “Satte Farben vor Schwarz“ als alterndes Ehepaar

Es gibt Filme, die man gesehen haben muss aufgrund einer einzigen Szene. Diese Szene steht im Drama "Satte Farben vor Schwarz" gleich am Anfang. Es wird wenig gesprochen, man muss genau hinsehen, um sich an den Details zu erfreuen; daran, wie eine junge Regisseurin es schafft, in wenigen hingehauchten Szenen und Bildern eine Atmosphäre heraufzubeschwören, die sich eingräbt in den Kopf und ins Herz.

Der Morgen bricht vor dem Fenster herein, Anita (Senta Berger) und Fred (Bruno Ganz) lassen den Tag anlaufen, wie sie es seit Jahren tun, ein eingespieltes Miteinander: Sie bindet sich den Seidenbademantel um die frierenden Schultern, er holt die Zeitung aus dem Briefkasten. Auf dem Frühstückstisch stehen drei Sorten Marmelade, ein Strauß frischer Tulpen und frisch aufgebrühter Tee - nicht so ein Gesöff, das einem die Koffeinfaust in den Magen rammt, sondern ein Getränk für Leute, die Qualität schätzen und Teebeutel für eine Geschmacksverirrung halten.

Die Makellosigkeit liegt auf jeder Oberfläche wie der Glanz frischen Regens, dazu dudelt leise Klassikmusik aus dem Radio. Eine Stimmung wie aus Kaschmirfäden gewebt. Kaum merklich zeigen sich feine Risse in der Idylle dieses Paares an der Schwelle zum Alter - nicht mehr jung sind sie, aber mittendrin in einer Zeit, die derzeit öffentliche Aufwertung erfährt: die Kinder aus dem Haus, die Pensionierung einen Wimpernschlag entfernt. Das Leben lockt mit einem Neuanfang. Oder eben auch nicht.

Fred schmiert kühlschrankharte Butter auf seine Toastbrotscheibe, er kratzt, schabt und gräbt, es klingt wie das Kreischen eines Kreidestummels auf der Tafel. Anita räuspert sich, lupft eine Augenbraue, blättert die Zeitung hörbar um. Sie beschwert sich nicht, aber man weiß: Es sind schon Ehen aus nichtigeren Gründen als Tischmanieren zerbrochen. Doch Fred und Anita haben ihre gemeinsamen Jahre durch keine Frühstückskrümel, keine unzureichend zugeschraubten Zahnpastatuben, keine Affären aufs Spiel gesetzt. Sie haben ihre Launen genommen wie das Wetter, das auch nicht jeden Tag sonnig ist.

"Satte Farben vor Schwarz" dringt durch die Poren dieses großbürgerlichen Paares - und Senta Berger und Bruno Ganz spielen das derart vertraut, dass man meint, sie hätten schon ganze Theaterdauerbrenner zusammen auf der Bühne bestritten und nicht, wie es der Fall ist, das erste Mal miteinander gearbeitet. "Es war wie ein Musikstück, das man sofort spielen konnte", hat Senta Berger über das Drehbuch von Regisseurin Sophie Heldman gesagt, eine Abschlussarbeit der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, deren Kunst darin besteht, gleichzeitig eine Liebesgeschichte zu erzählen, ein Stück Leben der alten Bundesrepublik sowie die Frage aufzuwerfen, wie man den Lebensabend glücklich verbringt.

Anita mäht wütend den Rasen, sie schält mit trotzig vorgeschobener Unterlippe Kartoffeln, weil Geheimniskrämer Fred seine Tage nicht wie angekündigt im Büro verbringt, sondern in einer leeren Wohnung. Dort starrt er vor sich hin, in sein Gesicht hat sich eine Müdigkeit eingegraben, gegen die kein Kaffee hilft, kein kaltes Wasser, keine frische Luft. Der Grund dafür ist trauriger, als Anita vermutet: Fred hat Prostatakrebs, ist unheilbar krank.

Als die Diagnose heraus ist, die Ehe aus dem Trott gerät, ändert sich auch die Stimmung des Films. Er wird mutiger und provokativer, schockierend und bewegend zugleich. Anita und Fred beschließen, ihrem Leben gemeinsam ein Ende zu setzen. Was so leichtfüßig begann wie das Geklimper einer Tonleiter, verfängt sich in schweren Tönen. Es braucht die Anfangsszene am Frühstückstisch, ihre Beiläufigkeit und die Marmeladenbrotgemütlichkeit, um die Tragik des Endes voll zu erfassen.

"Satte Farben vor Schwarz", heute, 20.15 Uhr, Arte