Das Duo Justice verbindet Rock, Elektronik und Mittelalter. Am Wochenende spielen die Franzosen beim ausverkauften Hurricane-Festival

Hamburg. Vor der Begegnung mit Gaspard Augé und Xavier de Rosnay ergeht eine Warnung. Der eine rede gar nicht, der andere je nach Laune. Der zierliche Augé trägt eine rote Lederjacke und eine interessante, sehr französische Hippiefrisur. De Rosnay streicht sich zu seinen unglaublichen Löwenlocken über den Bart und blinzelt durch eine Pilotenbrille.

Der erste Eindruck: Dieses Duo huldigt mit Hingabe dem Zuviel. In jederlei Hinsicht. Alles ist hier Pomp, dass es zum Himmel schreit. Dabei zählen die beiden, unter dem Namen Justice firmierend, zur allerersten Kategorie französischer Elektronik. Beim seit Langem ausverkauften Hurricane-Festival in Scheeßel präsentieren sie ihr aktuelles Album "Audio, Video, Disco" gleich hinter den Headlinern. Ein echter Hingucker und eine Rarität im Festivalbandeinerlei. Der letzte Hamburg-Auftritt liegt immerhin schon vier Jahre zurück. Justice ist neben Skrillex der Beleg dafür, dass Elektronik schon lange keine Nischen-, sondern Stadionmusik ist. AC/DC gekreuzt mit LED-Funkelwänden. Manchmal auch nur eine Stimmung, als rasten Güterzüge ineinander. Ganz große Oper.

Die ersten Takte des Openers "Horsepower" versetzen zurück in die 70er-Jahre, als nur Songs im epischen Breitwandformat etwas galten. Er strotzt vor glamourösen Electrobeats, Synthesizern aus der Vorhölle des Italo-Discosounds und dreckigen Rockgitarren. Eine Verbeugung vor Bands wie Saga, Queen oder Yes. Musik, die ästhetisch eigentlich längst als überwunden galt.

"Wir lieben den Geruch dieser Musik", sagt Augé hinter seiner blickdichten Brille. "Wir wollten mit einem theatralen Song, einem großen Aufschlag beginnen." Ähnlich brutal geht der Sound weiter. "Brianvision" ist eine geradezu augenfällige Fußnote zu Queen-Gitarrist Brian May. Eine Mini-Symphonie, die Giorgio Moroder nicht besser hätte produzieren können. "Canon" wiederum zitiert Elemente des mittelalterlichen Metal-Rock. Den Vorwurf, die Band halte sich an der Ursuppe der Rock-Kultur schadlos, wiegelt er ab. "Wir sind ja nicht die Einzigen, die das Alte ins Heute verlegen." Der Mix aus Trash-Rock und Elektronik verführt, weil er sich dann doch mit einem französischen Stilempfinden paart.

Die beiden Grafikdesigner Gaspard Augé ("Moustache") und Xavier de Rosnay ("The China") lernten sich 2003 in Paris kennen. Spätestens seit sie mit "D.A.N.C.E.", einem souligen Rhythmusstück mit jugendlichem Gesang, 2007 einen absoluten Dancefloor-Feger landeten, kennt man sie auch hierzulande. Zum Erfolg trug bei, dass siemit Frankreichs bekanntestem Electro-Export Daft Punk den Manager teilen. Ihr Debütalbum "Cross" verkaufte sich über eine Million Mal. Von da an remixte das Duo Songs für Britney Spears genauso wie für Fatboy Slim oder Franz Ferdinand. Justice stemmt sich dem häufigen Dilemma elektronischer Konzerte, einem Mangel an Performance, offensiv entgegen. Ihr Logo, ein lateinisches Kreuz, stellen sie als gigantische Installation auf die Bühne.

Ansonsten bedienen sie recht stoisch die Maschinen ihrer gigantischen, altarähnlichen Apparatur und überlassen die Effekte der Musik. Und da findet sich manch subtiler Fingerzeig. Hinter dem Albumtitel etwa verbirgt sich ein neckisches Wortspiel, "audio, video, disco" heißt aus dem Lateinischen übersetzt: "Ich höre, ich sehe, ich lerne." Fragt sich nur was.

Hurricane-Festival 22. bis 24.6., ausverkauft

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