Der Horrorfilm “Chernobyl Diaries“ erhascht nur das Böse

Ukraine - da war doch was? Der Anlass für den Horrorfilm "Chernobyl Diaries" ist nicht die EM, sondern ein Ereignis, das eine Generation zuvor die Welt erschütterte: die Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986. Sechs Jungspunde auf Europatrip haben nichts Besseres zu tun, als das radioaktiv verseuchte Sperrgebiet zu besichtigen. Ihr Tourguide Uri fährt sie in die Geisterstadt Pripyat in der Nähe des Reaktors. Doch die verfallenen Plattenbauten im Chic der untergegangenen Sowjetunion bleiben nicht der einzige Grusel für die ahnungslosen Touris.

Tatsächlich bringt Bradley Parker in seinem Regiedebüt gekonnt die spannungsreiche Atmosphäre des Ostens zur Geltung - selbst wenn nicht in Kiew und der Gegend um Tschernobyl gedreht wurde, sondern in einer serbischen Traktorfabrik in Belgrad und in einer verlassenen Luftwaffenbasis bei Budapest. Das dokumentarische Flair der ersten Filmhälfte, in der die übermütige Truppe die Ruinen aus den 80ern noch originell findet, zieht den Zuschauer geschickt ins Geschehen.

Klar, die 1986 über Nacht evakuierten Wohnungen der Kraftwerksmitarbeiter und ihrer Familien in Pripyat sind nicht so leer, wie es scheint. Sind verwilderte Hunde und verirrte Bären noch irgendwie romantisch und aufregend, so kippt die Stimmung spätestens dann, wenn in der Abenddämmerung der Van nicht anspringt und noch etwas anderes aus den Kellern kraucht. Ab da verläuft der verheißungsvoll begonnene Trip leider nach der Formel "da waren's nur noch ...". Interessant ist dann lediglich die Reihenfolge der Opfer und wie wohl ihre Jäger aussehen mögen.

Leider sind unterwegs auch Produzent und Drehbuchautor Oren Peli, der mit dem Low-Budget-Poltergeistfilm "Paranormal Activity" einen Kassenhit landete, die Ideen ausgegangen. Die Filmemacher halten den Ball in puncto Effekte wie Spannung ziemlich flach. Die Wackelkamera erhascht nur die Schatten des Bösen, und schon liegt wieder einer röchelnd in der Ecke. Mal knackt der Geigerzähler, um den Grad der radioaktiven Verseuchung anzuzeigen, mal huscht was durchs Unterholz, dann schreit wieder ein Mädel: Die 85 Filmminuten ziehen sich in der zweiten Hälfte ziemlich hin.

Auch die Jungmimen können den Leerlauf nicht überdecken. Der markanteste Typ ist der vierschrötige Uri (Dimitri Diatchenko) als Ex-Militär mit melancholischem Blick. So liefert dieser kleine Horrorstreifen eher maues Grauen ab. Und vielleicht Werbung für die tatsächlich existierenden Touren nach Pripyat.

Bewertung: belanglos

"Chernobyl Diaries" USA 2012, 85 Min., ab 16 J., R: Bradley Parker, D: Devin Kelley, Jonathan Sadowski, Ingrid Bolsø Berdal, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg, UCI Othmarschen/Smart-City; wwws.warnerbros.de/chernobyldiaries