Die Dokumentation “Wagner & Me“ führt zum Weihetempel der Wagnerianer

Andere Opernhäuser besucht man, nach Bayreuth wird gepilgert. Nicht jeder wird dort eingelassen, und wem diese Gunst gewährt wird, der verlässt dieses Festspielhaus anders, als er es betrat. Nicht ohne Grund kommt kaum eine Erwähnung des Grünen Hügels ohne religiöse Anspielungen auf die Ekstase aus, mit der Wagners Musik verbunden sein kann; Wagnerianer lassen sich oft nur schwer von Sektenanhängern unterscheiden. Und wer nicht ohne Wenn und Aber für Wagner ist, ist - ihrer Meinung nach - gegen ihn.

Kann man, darf man Jude sein und Wagners Musik lieben? Darf man das Werk eines Mannes verehren, es tatsächlich vergöttern, der 1850 in übelster Weise über "Das Judentum in der Musik" schrieb? Der englische Komiker und Autor Stephen Fry findet: Ja, man kann. Und wie man das kann.

In seinem Dokumentarfilm "Wagner & Me" zeigt er auch, mit typisch britischem Augenzwinkern, warum das geht. Für ihn ist der Grüne Hügel das Allerheiligste überhaupt. Er weiß, dass Hitler dort jahrelang zur "Heiligen Familie" gehörte. Aber man kann sich seine Lieben nun mal nicht aussuchen. Also kann Fry, selig grinsend, sein Glück auch kaum fassen, hinter die Kulissen vorgelassen zu werden, um 2009 bei den "Ring"-Proben dabei zu sein.

Er lässt sich den "Tristan-Akkord" erklären, Fry lauscht verzückt, als man ihm das "Siegfried-Idyll" vorspielt, und blättert mit Hingabe durch die originale "Götterdämmerung"-Partitur. Er taumelt geradezu durch Schloss Neuschwanstein - und kommt auf den Stufen des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes zu tieferen Erkenntnissen über Gut und Böse. Für Fry ist Wagner größer, zu gut und zu wichtig, um ihn der ideologischen Vereinnahmung und Beschmutzung durch Nazis zu überlassen.

Jetzt, 2012, kommt "Wagner & Me" in die Kinos, zu früh für das große Jubiläumsjahr 2013, in dem weltweit der 200. Geburtstag von Richard dem Einzigartigen zu feiern ist. Aber für einen echten Wagnerianer ist das egal, für den ist jeder Tag mit dieser Musik sowieso ein Feiertag.

Bewertung: empfehlenswert

"Wagner & Me" Großbritannien 2010, 89 Minuten, o. A., R: Patrick McGrady, täglich im Abaton (OmU), Zeise (OmU); www.wagnerandme.com