Mit der Ausstellung “Taktgeber Hafen“ ist der Historische Rundgang im Hamburgmuseum komplett - und erstmals wieder voll auf der Höhe der Zeit.

Hamburg. Jetzt ist er also endlich komplett, der Gang durch die Jahrhunderte im ersten Obergeschoss des Hamburgmuseums. Ab heute kann man die Geschichte Hamburgs auf einer Ebene durchlaufen, ohne den Faden zu verlieren und ohne chronologisch durcheinanderzugeraten: von der Hammaburg bis zur Elbphilharmonie. Wer als Tourist nur wenig Zeit hat, kann den Historischen Rundgang vom neunten bis ins 21. Jahrhundert sogar in einer einzigen Stunde absolvieren, das neue Leitsystem hilft dabei.

Aber es lohnt sich schon, sehr viel mehr Zeit zu investieren, vor allem jetzt, wo mit der Geschichte Hamburgs nicht mehr im späten 19. Jahrhundert einfach Schluss ist: "Taktgeber Hafen" heißt das letzte noch fehlende Kettenglied des Historischen Rundgangs, das heute eröffnet wird und die Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert dokumentiert und mit historischen Objekten, großartigen Modellen und modernen Medien recht anschaulich erklärt.

Die Kuratoren Ortwin Pelc und Ralf Wiechmann schließen dort an, wo die vorangegangene Abteilung im späten 19. Jahrhundert endet: mit dem Ausbau des Hafens, der für die Stadtentwicklung immer größere Bedeutung erlangt.

Zunächst geht es um die Elbe, deren Gestalt und Charakter sich im 20. Jahrhundert enorm verändert hat: Sie wurde vertieft, begradigt, eingedeicht, mit Schleusen versehen und damit vom natürlichen Fluss in ein technisches Bauwerk verwandelt. Mit der immer stärkeren Inanspruchnahme des Flusses für den internationalen Warentransport und -umschlag wuchs auch die Gefährdung der Bevölkerung vor Überflutungen, der man durch den Bau von Deichen, Sperrwerken und Schleusen zu begegnen versuchte. Aber die Elbe diente zugleich als Wasserreservoir, Fischlieferant und als wichtiges Freizeitrevier, was ebenfalls mit Dokumenten und Bildern gezeigt wird.

So plausibel und einleuchtend wie jetzt konnte man die Entwicklung des Hafens noch nie nachvollziehen. Möglich wird das mit einem riesigen Stadt- und Hafenmodell aus dem Jahr 1929, das die Ausstellungsmacher in ein Multimedia-Objekt verwandelt haben: In mehreren Schritten zeigen Lichtprojektionen in dem abgedunkelten Raum, wie sich der Hafen im Lauf der Jahrhunderte von der Bille und Alster zur Elbe verlagert hat und immer raumgreifender wurde. Man kann aber auch die einzelnen Funktionsbereiche erkennen und genau lokalisieren, wo bestimmte Waren gelöscht, wo Schiffe gebaut oder Auswanderer an Bord genommen wurden. Doch mit der dynamischen Entwicklung des Hafens wuchs auch die Stadt, entstand eine moderne City. Aus beschaulichen Vorstädten wurden dicht besiedelte Arbeiterwohngebiete, in Hafennähe entstand das Kontorhausviertel, und die Mönckebergstraße verband als Geschäfts- und Flaniermeile den repräsentativen Rathausmarkt mit dem ebenfalls neu erbauten Hauptbahnhof.

Immer wieder laden große Modelle, jetzt erstmals wirkungsvoll präsentiert und gut ausgeleuchtet, dazu ein, mit den Augen spazieren zu gehen, Gebäude zu identifizieren und Vergleiche zwischen gestern und heute zu ziehen.

Neben zahlreichen, oft kaum bekannten Fotografien, die man auf einer langen Leuchtwand findet, sind es wiederum Modelle, die auch den enormen städtebaulichen Einschnitt deutlich werden lassen, den die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der Wiederaufbau der 1960er- und 70er-Jahre mit sich gebracht haben. Der abschließende Raum, der zugleich den Abschluss des Historischen Rundgangs bildet, heißt "Stadtforum" und soll künftig auch für Veranstaltungen genutzt werden, in der aktuelle Themen der Stadtentwicklung diskutiert werden können.

Hier steht auch das spektakulärste Objekt der Ausstellung, das kurioserweise völlig unspektakulär "Hamburg-Tisch" heißt. Das klingt nach Ikea, dabei müsste es eher nach Apple klingen, denn der Hamburg-Tisch ist in Wahrheit kein biederes Möbelstück, sondern ein Hightech-Gerät. Damit können die Besucher multimedial in die Geschichte eintauchen und das ganz große Zeitrad drehen, vom Jahr 900 in elf Schritten bis 2012. Projektionen zeigen jeweils, wie sich das Stadtgebiet verändert, zusätzlich lassen sich aber auch weitere Infos abrufen. Wo stand die Hammaburg? Wo befand sich der Dom? Wer beim Jahr 1842 angelangt ist, kann zum Beispiel sozusagen per Knopfdruck den Großen Brand auslösen und sehen, wie sich das Feuer seinen Weg gebahnt hat.

Es gibt auch ein paar nette Details, die zeigen, dass die Ausstellungsmacher und die Tüftler von der Berliner Firma Art+Com, die den "berührungssensitiven Medientisch" konstruiert haben, über der Unzahl von historischen Daten und Zusammenhängen auch Spaß an der Sache gefunden haben: So überfliegt gelegentlich ein riesiger Schwarm Wildgänse das Hamburger Stadtgebiet, und im Jahr 2012 landet von Zeit zu Zeit auf dem Fuhlsbüttler Airport ein Flugzeug.

Mit "Taktgeber Hafen" ist das Hamburgmuseum ausstellungstechnisch erstmals wieder auf der Höhe der Zeit, auch dank der Fördergelder aus dem Ausstellungsfonds der Kulturbehörde und von der Hamburger Feuerkasse. Gestaltet wurde die Ausstellung von dem Schweizer Büro Arge gillmann schnegg, was Museumsdirektorin Lisa Kosok mit Blick auf die Elbphilharmonie zu der süffisanten Bemerkung veranlasste: "Es kann auch gut gehen mit Architekten, die aus Basel kommen."

"Taktgeber Hafen" Museum für Hamburgische Geschichte (Hamburgmuseum), Holstenwall 24, Di-So 11.00-18.00, Do bis 21.00

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