“Wilhelms Reise“ ist ein detailreiches Auswandererbilderbuch

Als Wilhelm sich auf die Reise über das weite Meer bis in die Neue Welt nach New York macht, ist der Bauernsohn aus dem Spessart gerade einmal 15 Jahre alt. Staunend, neugierig und abenteuerlustig ist er, als er an Bord der "Columbia" geht, für eine Überfahrt ins Ungewisse, auf der ihn nicht nur Bettwanzen und Kakerlaken begleiten, sondern auch kräftige Matrosen und schillernde Meerjungfrauen. In dem detailverliebt und dicht illustrierten Auswandererbildergeschichtenbuch "Wilhelms Reise" hat Anke Bär, die sowohl Texte als auch Zeichnungen verantwortet, ein liebevoll arrangiertes Skizzentagebuch zusammengestellt.

Zwei Jahre dauerte die Arbeit an ihrem Werk, das sich an Kinder ab acht Jahren richtet. Sie lernen, wie das Leben Mitte des 19. Jahrhunderts war, was ein "Schietpütz" ist, welche Kompasse sich an Bord befinden und mit welchen Spielen man sich dort die Zeit vertrieb, wenn man eben kein Spielzeug besaß. Es geht um Rum und Rizinusöl, um blinde Passagiere, die Geheimnisse der Nautik und um die Herausforderungen eines Zusammenlebens auf engstem Raum.

Anke Bär, die als freischaffende Illustratorin in Bremen lebt, hat unter anderem im Auswanderermuseum in Bremerhaven recherchiert, und so gibt es auch in ihrem Buch unheimlich viel zu entdecken, ein Fest gerade für besonders wissbegierige Kinder. "Wilhelms Reise" ist wie eine historische Kladde aufgemacht, ein (gezeichnetes) Fotoalbum, das immer wieder zum Blättern und Stöbern anregt und Geschichte auf diese Weise wirklich vorbildlich kindgerecht transportiert.

Kleines Manko: Manchen Texten fehlt, anders als den wunderschönen und sehr anschaulichen Zeichnungen, der vergleichbar spielerische Zugang, etwa wenn das Gehirn bei der Seekrankheit durch "widersprüchliche Informationen der Sinnesorgane" verwirrt ist oder wenn im Abschnitt "Astronomische Navigation" Seefahrer "anhand von Gestirnshöhen den geografischen Breitengrad bestimmen" können.

Andererseits haben so auch ältere Kinder noch etwas von der Auswanderergeschichte. Und es regt Kinder und Eltern (die schließlich auch nie auslernen können!) dazu an, den Band gemeinsam zu betrachten und die Erkenntnisse vielleicht mit einem Besuch in einem Auswanderermuseum zu ergänzen.

Anke Bär: "Wilhelms Reise". Gerstenberg, 64 S., 14,95 Euro