Mit dem kabarettistischen Beziehungsstück “Küss langsam“ gastieren Jennifer und Michael Ehnert erstmals im Schmidt

Schmidt. Manche sitzen schon auf gepackten Koffern. Nur noch einmal schlafen, dann fangen für viele Hamburger Eltern und ihre schulpflichtigen Kinder die Sommerferien an. Jennifer und Michael Ehnert sind auch Eltern. Doch sie denken dieser Tage nicht an Urlaub. Sie proben den Scheidungskrieg.

Der ist für das Hamburger Schauspieler-Ehepaar alles andere als Routine, seit dem vergangenen Jahr indes Teil ihres (Bühnen-)Lebens. Schon zuvor hatten sich die Ehnerts entschlossen, gemeinsam ihre Antwort auf die oft klischeebehafteten Beziehungsstücke zu liefern.

Schreiben - in diesem Fall in trauter Kooperation mit seiner Gattin - macht der Schauspieler, Kabarettist, Regisseur und Autor Ehnert besonders gern und gut. Mit Soloprogrammen wie "Mein Leben" und "Das Tier in mir - Deutschland primat" hat er Auszeichnungen wie den Deutschen Kabarettpreis 2005 gewonnen, herkömmliches Kabarett war jedoch nie sein Ding. Eine Mischung aus Comedy, Kabarett, Theater und Film, bevorzugt im Genre Action, angereichert mit autobiografischer Lebensbeichte, das zeichnet den Künstler Ehnert bereits seit zwei Jahrzehnten aus.

Gut 70-mal haben seine Frau und er "Küss langsam" - der Titel ist angelehnt an den Actionstreifen "Stirb langsam" mit Bruce Willis - seit der Uraufführung im Vorjahr in Düsseldorf und der Hamburg-Premiere im Altonaer Theater bisher bundesweit gespielt. "Viele Texte habe ich inzwischen neu geschrieben, und wir haben das Gefühl, jetzt ist das Stück richtig rund", erzählt Ehnert. Das sei so wie mit seinen oft gespielten drei Soloprogrammen, als er auch erst nach 80 Vorstellungen das Gefühl hatte, zufrieden zu sein.

In der Inszenierung Martin Maria Blaus treffen sich die beiden Eheleute kurz vor ihrem Scheidungstermin vor dem Amtsgericht. Vier gemeinsame Jahre scheinen genug. Der Gatte wird zum "Mann ohne Kameragesicht", sie zur "verspannten Zicke". Doch das ist längst nicht die einzige Ebene: In der Parallelhandlung einer skurrilen Fernsehserie spielt er einen coolen Polizisten und sie eine toughe Journalistin, die einer Politverschwörung auf der Spur ist. Im Visier: große Energieunternehmen, die Bundesregierung und das brisante Thema Atommüll. Wer hier Anleihen bei der früheren satirischen Eingreiftruppe Bader-Ehnert-Kommando vermutet, liegt vollkommen richtig. "Wir spielen kein reines Beziehungsstück und auch nicht den 'Caveman' zu zweit", sagt Ehnert. "Das Stück hat auch tagespolitische und kabarettistische Züge." Und die Elbphilharmonie als Tatort-Großbaustelle sei ja weiterhin aktuell, fügt er süffisant hinzu.

"Küss langsam" ist in den bewährten Ehnert-Mixer geraten. Wobei - um im Bild zu bleiben - Jennifer Ehnert nicht nur daneben am Herd gestanden hat, um das Ganze aufzuwärmen.

Nach der erfolgreichen Kammerspiele-Produktion "Frost/Nixon", in der sie ebenfalls eine Journalistin und er den britischen Talkmaster David Frost gespielt hatte, waren die Ehnerts in relativ kurzer Zeit zum zweiten Mal mit einem Theaterstück gemeinsam auf Tournee. "Und wir sind immer noch zusammen", sagt Michael Ehnert und lächelt.

Von Abnutzungserscheinungen, Reibungsverlusten oder gar Scheidung nach bis zu sechsstündigen gemeinsamen Bahnfahrten, langen Abenden auf der Bühne und kurzen Nächten im Hotel keine Spur.

Im Gegenteil: Jennifer Ehnert, die ihre Schauspielausbildung im Lee-Strasberg-Institut in New York absolviert hat, hat sich darangemacht, "Küss langsam" ins Englische zu übersetzen. "Kissin' Impossible" wird das Stück heißen. Jennifer Ehnert, die mehr als sieben Jahre in der US-Metropole gelebt hat, und ihr Gatte haben jüngst in New York Gespräche geführt und mit dem Player's Club ein Theater entdeckt, in dem das Stück in der Spielzeit 2013/14 US-Premiere feiern soll. Ein Scheidungskrieg wird zum Hamburger Exportschlager.

Bis Ende 2013 sind die Ehnerts mit "Küss langsam" in Deutschland, Österreich und der Schweiz ohnehin schon gebucht. Da kann Vater Ehnert mit seinen beiden Söhnen in der zweiten Hälfte der Hamburger Sommerferien auch ganz beruhigt mal Urlaub machen.

"Küss langsam" 20.6.-8.7., Mi u. So 19.00, Di, Do, Fr, Sa, 20.00, Schmidt-Theater (U St. Pauli/S Reeperbahn), Spielbudenplatz 24/25, Karten zu 14,10 bis 41,60 unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de