Die Band Fehlfarben spielt im Knust Songs ihres neuen Albums “Xenophonie“ - mal wütend, mal komisch, aber immer mit Kraft

Knust. Manche Bands waren irgendwie immer schon da. Jeder kennt sie. Kollegen rühmen sie. Und doch gelten sie als notorisch unterschätzt. Man kann nicht sagen, dass die Band Fehlfarben nicht erfolgreich sei. Ihr Debütalbum "Monarchie und Alltag" (1980) - auf dem die Musiker (Ex-Düsseldorfer, heute in der ganzen Republik verstreut) mit allem abrechneten, was sowieso nervte, den Hippies, den Spießbürgern, den sozialdemokratischen Gutmenschen - gilt bis heute als Siedepunkt des deutschsprachigen Punkrock.

Auch auf ihrem neuen Album "Xenophonie" verhehlen die Musiker der Fehlfarben nicht eine beinahe romantische Liebe zu den tollen, damals neuen Klängen von den Britischen Inseln - The Damned, Sex Pistols, The Clash. Die liebenswerte Kaltschnäuzigkeit, der Protest gegen die Verhältnisse. Es ist alles da. Auch mit Ü50 stellen die Bandmitglieder ihre Befindlichkeiten noch immer auf der Bühne zur Schau. So auch beim Konzert heute Abendim Knust. Die "Schuld" daran geben Sänger Peter Hein, Gitarrist Uwe Jahnke, Bassist Michael Kemner, die Keyboarder Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke unter anderem ihrer jungen Schlagzeugerin Saskia von Klitzing, die seit gut zehn Jahren bei der Band spielt.

"Zum Hitproduzenten oder zum Downloadwunder reicht es scheinbar nicht", sagt Peter Hein beim Interview in den zugestapelten Büroräumen des Hamburger Indie-Labels Tapete Records. "Dazu fehlen uns wohl die Miniröcke und die aufgespritzten Lippen." In Vintage-Hemd, knallenger roter Jeans, der Haarschopf ein undurchdringlich dunkler Wald, sieht Hein auch mit 54 Jahren fabelhaft alterslos aus. Noch immer ist er ein herzerfrischender Snob und Querulant. Resignieren sollen andere.

Auf ihrem neuen Werk "Xenophonie" langt Fehlfarben verbal und musikalisch ordentlich zu. In dem dreckig scheppernden "Platz da" nennen sich die Bandmitglieder ironisch die Speerspitze der Kultur: "Wir haben alles, und das auch wirklich, verdient." Nordlichter hören da gern mal Anklänge an intellektuelle Wortspiele der Hamburger Schule heraus. Das mag daran liegen, dass auch Moses Schneider (Ja, Panik, Tocotronic) diesmal mit im Studio saß. "Ab sofort wird zurückgeglaubt/ werden Glaubensbrücken gebaut/ wer lauter glaubt, als erlaubt/ dem wird auf das Haupt gehauen", heißt es in "Glauberei", das sich erfrischend humorvoll mit Unfriedensstiftern befasst. Heraushören kann da jeder, was er will. "Ich bin ja nicht Peter Alexander, wo nichts gesagt wird und man alles verstehen muss", sagt Peter Hein. "Man soll lieber auch mal was Falsches raushören. Wir bieten ja noch den Luxus des gedruckten Wortes."

Nein, die große Müllabfuhr, die einsammelt, was ihr nicht passt, sei Fehlfarben nicht. "Die Müllabfuhr kann sich ja nicht aussuchen, was sie stehen lässt", sagt Hein. "Wir schon." Bereits in der Vergangenheit hatte die Poesie der Fehlfarben das Zeug zum Aperçu: "Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht" (aus "Paul ist tot", 1980). Inzwischen hat sich Peter Hein sogar mit jenem Song der Band ausgesöhnt, der ansatzweise ein Hit war: "Ein Jahr (Es geht voran)" aus dem Jahr 1982. Dumm nur, dass das Lied als Aushängeschild der Neue-Deutsche-Welle-Bewegung und - weitaus schlimmer - als Wahlkampfsong der CDU zweifelhaften Ruhm erlangt hat. "Man muss den Dingen ins Auge sehen. Schlimm ist nicht, dass es dieser Song war, sondern dass es nur einer war ", sagt Hein.

Seine Texte sind gewohnt sloganstark, polternd, berstend vor Wut und vor Euphorie, dabei komisch wie nie. Keiner kann sich so schön aufregen wie Hein. Etwa wenn er in "Richtig im Falsch" das Hohelied auf den Widerspruch anstimmt. Versöhnlich heißt es da, auch ein Leben im Widerspruch sei ja ein Leben.

Das gilt selbst für den Sänger und langjährigen Sachbearbeiter einer Kopiergerätefirma. Vor acht Jahren brauchte man ihn dort nicht mehr. Seither schlägt sich Hein in seiner Wahlheimat Wien mit Bürojobs durch. Auch von seinen Erlebnissen mit der "Bundesagentur" weiß er ein Lied zu singen: "Ich bin Fatalist/ dem nicht zum Lachen ist." Er sei "überqualifiziert, untermotiviert". Wenn schon "Knietief im Dispo", dann wenigstens aufrecht.

Fehlfarben heute, 20.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten zu 19,90 im Vvk.; www.fehlfarben.com