Hamburg. Fast auf den Tag genau zehn Jahre trennen das Idol von seinem größten Bewunderer und kompetentesten musikalischen Erben diesseits des Atlantiks. Jaco Pastorius, der das Bassspiel auf allen Ebenen revolutionierte, wäre im vergangenen Dezember 60 geworden, der in Hamburg lebende überzeugte Hildesheimer Jürgen Attig feierte zweieinhalb Wochen zuvor seinen 50. Geburtstag. Pastorius war 25, als sein epochales Debütalbum erschien, Attig musste doppelt so alt werden, um seine erste eigene Platte zu veröffentlichen, "Aventureiro". Sie ist undenkbar ohne Pastorius; Attig feiert ihn darin in jedem Takt. Weil sie Geschichte und Gegenwart des Jazz mustergültig vereint, verdient die Platte es, nicht nur an diesem Montag, am International Jazz Day der Unesco, gehört zu werden.

Jürgen Attig hat bei Felix de Luxe Bass gespielt, jahrelang mit dem Jazz-Hippie Gunther Hampel musiziert und eine Vielzahl von Jazz- und Pop-Größen begleitet. Dass sein Sound auf dem Bass dem des unvergessenen Pastorius so verdammt ähnlich ist, darf man nicht als Resultat emsigen Strebens missdeuten: "Das kann ich einfach", sagt Attig. Auf dem bundlosen Fender-Jazzbass, dessen Lackschicht von unzähligen Spielstunden, Reisen und Studiosessions an vielen Stellen aufs blanke Holz runtergeritten ist, bewegen sich seine Finger mit stupender Präzision, Geschwindigkeit und einem Zeitempfinden, das Attig tatsächlich als einen Pastorius-Klon erscheinen lässt.

Auch kompositorisch erweist er dem tragischen, bei einer Schlägerei ums Leben gekommenen Helden der tiefen Töne und der glitzernden Flageoletts Reverenz; manches, vor allem der "White Viper Waltz", klingt mehr nach Pastorius bei Weather Report, anderes erinnert an die kleine, auch mit Mundharmonika, Steel Drums und Tuba besetzte Bigband Word of Mouth, mit der Pastorius in den 80er-Jahren als Komponist und Schöpfer einer karibisch gefärbten Klangwelt Triumphe feierte.

Attig begegnete Pastorius mehrfach und war später auch mit dessen Witwe Ingrid befreundet, die ihm für sein Album ein kurzes, schauriges Lachen des Meisters als Tonspur überließ. Die meisten Aufnahmen entstanden am Ursprungsort von Pastorius' Karriere, in Fort Lauderdale in Florida. Dort lud Attig alte Weather-Report- und Pastorius-Sidemen wie Robert Thomas Jr. (Hand drums), Randy Bernsen (Gitarre) und Othello Molineaux (Steel drum) sowie weitere notable Gäste wie Raul Midón (Gesang) oder Archie Peña (Percussion) ins Studio. Das in Hamburg vollendete Album strahlt viel Kraft aus; es wirkt so durchsonnt, positiv, verspielt und bisweilen geheimnisvoll, wie Jazz aus Deutschland nun wirklich nicht klingen darf. Kein Zweifel, auf seiner "Journey To Jaco" ist Attig angekommen. Nun ist es Zeit, neue Ziele zu finden.