Hamburg. Der Meister hat augenscheinlich Rücken. Radu Lupu geht etwas beschwerlich und nimmt seit einiger Zeit zum Klavierspielen lieber auf einem Stuhl Platz, wo er sich zwischendurch anlehnen kann. Leider knarrte das Exemplar in der Laeiszhalle am Donnerstag beim Proarte-Konzert mit den Bamberger Symphonikern beim langsamen Satz von Brahms' erstem Klavierkonzert unter dem nicht unbeträchtlichen Gewicht des Pianisten, der die entrückten Akkorde zudem mit einem feinen, hohen Summen begleitete.

Obschon mit seiner grauen Mähne, dem Bart und der Spielhaltung nicht unbrahmsisch aussehend, schien Lupu Mühe zu haben, sich ganz auf den Klavierpart einzulassen. Im Kopfsatz langte er häufiger daneben, musikalische Gestaltung aus einem Guss gelang ihm nicht. Vom Pedal machte er unschön häufig Gebrauch. Technisch offenkundig nicht auf der Höhe seines Könnens, gelangen dem Pianisten im Adagio doch äußerst sublime Momente, in denen eine Art Altersleidensweisheit aufschien. Auch hinsichtlich des Zusammenspiels mit dem Orchester lag auf dem Abend kein Segen; oft klapperten die Akzente, eine Gegenmelodie im Horn im Maestoso war zudem höchst neblig intoniert.

So unentspannt der vermeintliche Höhepunkt des Gastspiels geriet, so wunderbar musikalisch gelang den Bambergern unter ihrem Chef Jonathan Nott der erste Teil des Programms. Charles Ives' "The Unanswered Question", diese Meditation für Streicher, Bläserquartett und aus der Ferne sanft ihre bohrende Frage stellende Trompete, spielten die Streicher nahezu ohne Vibrato - fahl, nackt, sicher tastend, auf undramatische Weise todesnah.

Schuberts "Unvollendete" ließ Nott attaca auf das kleine Entree folgen. Die dynamischen und energetischen Kontraste innerhalb der beiden Sätze stellte er nicht plakativ aus, vielmehr machte er die Musik Schuberts als die eines Engels hörbar, der Mensch werden wollte und doch nie ganz auf der Erde ankam. Wo die Heiterkeit seltsam jenseitig bleibt, kann auch das Drama schwerlich irdische Wucht entfalten. Die Bamberger Symphoniker gaben dem Werk die Aura einer intimen Séance. Nott atmet mit seinen Leuten, sie machen in jedem Takt Musik und achten die Stille. Andere mögen perfekter spielen. Aber Seele und Spirit waren mit ihnen.