Im Familiendrama “Totem“ herrscht Sprachlosigkeit. Ein radikaler Film, in dem es keine klare Trennung zwischen Täter und Opfer gibt.

Monotonie, immer gleiche Abläufe, Bindungslosigkeit, ein geradezu stoisches Verharren im Status quo: Der Blick auf die Mittelschichtsfamilie Bauer und ihr Hausmädchen offenbart keine Abgründe, sondern schlicht elende Tristesse. "Totem" hat Jessica Krummacher, Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film München, ihr Drama genannt. "Die Gestörten" hätte auch gepasst.

Die junge Fiona (Marina Frenk) ist als Hausmädchen zu den Bauers gekommen. Sie soll auf den kleinen Sohn aufpassen, Essen kochen, Wäsche waschen, die Terrasse fegen - und den Bauers als Spielball für ihre Aggressionen dienen, sich erniedrigen und beschimpfen lassen, ihnen aber auch beim Essen Gesellschaft leisten und abends im Familienkreis Eierlikör trinken. Dabei entsteht der Horror weniger aus tatsächlichen Übergriffen - selbst eine halbherzige Sexualattacke des Vaters (Benno Ifland) läuft ins Leere - als aus der Tatsache, dass hier jeder das Leben schlicht verstreichen lässt, sich in einer Art emotionaler Katatonie zu befinden scheint, die allgemeine Sprachlosigkeit undurchdringlich wirkt. Fiona passt mit ihrer oft stummen Bockigkeit und ihren kleinen Lügen einerseits in dieses Ambiente, ist aber andererseits die Einzige, die sich noch nicht vollkommen in Erstarrung befindet. Und die aus dem alles durchdringenden Gefühl der Leere Konsequenzen zieht.

"Totem" ist ein radikaler Film, weil Jessica Krummacher keine Auswege anbietet. Hier werden keine familiären Vorgeschichten offengelegt, die aktuelles Verhalten umfassend erklären könnten. Auch gibt es keine klare Trennung in Täter und Opfer. Dass die große 15-jährige Tochter der Bauers (Alissa Wilms) kaum ein Wort sagt und seltsam verstört wirkt, dass die Mutter (Natja Brunckhorst) Fiona einerseits wegstößt, sich dann aber wieder in einem geradezu verzweifelten Akt halbnackt an sie presst, bleibt im luftleeren Raum. Ein schwerer Brocken.

Bewertung: empfehlenswert

"Totem" Deutschland 2011, 86 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jessica Krummacher, D: Marina Frenk, Natja Brunckhorst, Benno Ifland, Alissa Wilms, Cedric Koch, Fritz Fenne, täglich im 3001-Kino; www.filmgalerie451.de