Der Wahlberliner Olli Schulz hat mit “SOS Save Olli Schulz“ ein grandioses fünftes Album aufgenommen.

Der Popmusiker Olli Schulz hatte, wenn man es genau nimmt, immer schon auch eine leicht wehleidige Aura. Auch haftete ihm, dem bisweilen genialen Schöpfer kleiner spinnerter Alltagsskizzen, stets etwas dezent Verzweifeltes an. Wirkte der ehemalige Roadie in seinen Songs nicht oft wie ein amüsanter Dampfplauderer, der sich mit voller Absicht wie ein Loser gerierte? Einer, der immer da ist, wo der Erfolg gerade nicht ist? So einer, bitte schön, muss doch HSV-Fan sein.

Ist er, der gute Olli. Als Oliver Marc Schulz in Hamburg geboren (gefühlt 1973; doch dann steht bei Wikipedia 1978), wuchs er in Stellingen auf. Da gibt es kein Vorbeikommen am Bundesliga-Dino. Im Interview mit einem Fußballmagazin hat Schulz, der Wahl-Berliner, mal ausschließlich über Fußball und Musik gesprochen. Der ehemalige zweite Torwart beim Eimsbütteler Turnverband (vulgo: ETV) traut sich, das macht er in dem Gespräch ganz deutlich, keineswegs das Schreiben einer Stadionhymne à la "Hamburg, meine Perle" zu.

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Zum einen ist man beruhigt, derlei zu vernehmen. Zum anderen fällt es einem nicht schwer, das dem komödiantischen Liedermacher sofort zu glauben. Olli Schulz ist, davon zeugen seine Songs seit dem ersten Album "Brichst Du mir mein Herz, dann brech' ich Dir die Beine", keiner für die Bezauberung der Massen. Keiner, bei dem man aus voller Kehle mitsingen will. Und keiner, der sich unterstünde, im hohlen Pathos ach so einzigartige Städte oder, schnarch, innig geliebte Fußballvereine zu besingen.

Und deswegen singt Schulz, der immer den Blick in die Abseite schickt oder ins Hinterstübchen, auf seinem morgen erscheinenden neuen, von Moses Schneider produzierten Album "SOS Save Olli Schulz" ein Fußballlied mit dem grandiosen Titel und wunderbaren Sujet "Spielerfrau". Der Text geht so: "Als junges Ding warst Du bekannt/Als das Mädchen, das am Spielfeldrand/Niedlich zu den Jungs hinsahst/Bis keiner mehr die Kugel traf/Deine Eltern waren irritiert, dass Fußball Dich so interessiert/Dein größter Wunsch zum HSV/Als braun gebrannte Spielerfrau/In Deine High Heels und Dein blondes Haar/Verliebte sich ein Stürmerstar/Seitdem haucht er nach jedem Sieg/Ich bring Dich in die Champions League/Bumbumbumbum, der Ball ist rund/Und Du bist jung/Ein Mädchen kommt viel rum und unterstützt den deutschen Sturm/Und vom Stadion der Freundschaft bis Santiago Bernabéu/Sitzt Du in den Logen und Du singst Olé, Olé (...) Und vom Stadion der Freundschaft/Bis zum schicksalhaften Wembley/Sitzt du in den Logen/Mit Iris, Maike, Mandy/Egal wie hart das Foul wird/Wie lang ein Spiel noch geht/Ein Junge wartet auf Dich/In Hamburg-Eidelstedt".

Die Texte von Olli Schulz sind auch auf diesem fünften Album ganz schön lustig. Der Musiker ist ein Geschichtenerzähler, und die Helden in diesen auf der Akustikgitarre geklampften Weisen wie aus dem Leben gegriffen: Wenn man dieses als Tragikomödie begreift.

Olli Schulz trat 2009 für Hamburg beim Bundesvision Songcontest an, "Tanz den Bibo" war sein einziger Hit, aber pure Ironie. Solche Stücke schreibt der Singer-Songwriter eigentlich nicht, und leider rutschen ihm auch nicht alle naslang Popsongs wie "Jetzt gerade bist Du gut" und "Rückspiegel" heraus.

Schulz ist ein Meister des Unfertigen, seine Stücke bleiben oft Entwürfe und sind auch auf Platte so, als würde einer vor Publikum den musizierenden Entertainer geben: mitsamt launiger Ansagen und allerlei Döneken.

Auf "SOS Save Olli Schulz" heißen die Songs und Geschichten "Koks & Nutten" (es geht hier in sechs Minuten um den Aufstieg und Fall eines Popstars), "Verliebt in zwei Mädchen" (es geht um die Liebe: zu Frau und Kind) und "Wenn es gut ist" (um den Gegensatz von Gut und Böse). Es sind entspannte, schrullige und warmherzige Songs von einem guten Typen. Meistens tönen Akustikgitarren und in den besten Momenten auch mal eine elektrische zu Schulzens quengelig-verwaschener Stimme.

Der schönste Song heißt "Old Dirty Man": "Old dirty man/Ich glaube ich bin mit der Zeit ganz schön komisch geworden". Ein tapsendes Lied über das Älterwerden von einem, der bestimmt nicht wirklich gerettet werden will - wovor auch? Der Stellinger scheint in Berlin-Kreuzberg ganz gut zurechtzukommen. Dort wohnt er seit einigen Jahren. Für den Rundfunksender Radioeins macht er Reportagen in Berlin und Brandenburg ("Moin, habt ihr mal kurz Zeit?"). Auf dem Album kommt das neue Zuhause allerdings nicht vor. Es fällt einem schwer, Schulz nicht als norddeutschen Barden zu betrachten. Es fällt einem zumindest niemand ein, bei dem man die Hamburger Einfärbung so deutlich zu hören vermeint.

Olli Schulz: "SOS Save Olli Schulz" (Indigo)