Das Gastspiel “Licht im Dunkel“ ist ein Glückstreffer für das Ernst-Deutsch-Theater

Hamburg. Schlacht um den Frühstückstisch im Haus des Captain Keller. Seine Tochter Helen, ein taubblindes Mädchen, patscht mit den Händen in die Teller, bespritzt Bruder und Eltern, die sie zu beruhigen versuchen. Nur die neue Lehrerin Annie Sullivan reagiert unbeeindruckt. Sie wirft die gluckende Familie hinaus und bändigt den stummen Trotzkopf in einer wilden Balgerei. Es ist nicht gerade gemütlich, dem peinigenden und verbissenen Ringen zwischen den beiden zuzusehen, doch Laia Sanmartin und Birge Schade machen die Zähmung einer Widerspenstigen zum packenden Theatererlebnis.

Die konsequente Erzieherin und die verzogene Schülerin tragen ihre Duelle in William Gibsons Schauspiel "Licht im Dunkel" mit wenig Worten aus, doch umso intensiver mit körperlichem Ausdruck und Einsatz. Zu Recht wurden beide Schauspielerinnen nach der Premiere im Ernst-Deutsch-Theater mit Bravorufen bedacht.

Volker Hesses Inszenierung, eine Koproduktion des Euro-Studios Landgraf und Stadttheaters Fürth, ist in mehrfacher Hinsicht als Entdeckung zu werten. Sie bringt die deutsche Erstaufführung des sehenswerten Psycho-Stückes nach der Biografie Helen Kellers. Es bietet ein Exempel über die Maßstäbe der Erziehung und ist eine Huldigung an die Gabe der Sprache, wie Annie es ausdrückt: "Ein Wort, Helen, und du hältst die Welt in den Händen." Außerdem arbeiten Regisseur und Schauspieler mit ungewöhnlichem Einsatz von stummen Szenen und Pantomime, sowie eines lauten Soundtracks: die peitschende Streichermusik vom Kronos- und vom Balanescu-Quartet. In der künstlerischen Form spiegelt sich der Inhalt des Stücks über den Verlust von Hören und Sehen.

Auch Stephan Mannteuffel überträgt das Thema in die Raumgestaltung mit Abkapseln und Aufbrechen, Sich-Zeigen und Sich-Verbergen: Die Reihe der Veranda-Fenster und -Türen auf Rollpodien schließt oder öffnet sich vor dem in Gold, Grün und Orange glühenden Panorama von Alabama. Genauso zieht sich Helen (fabelhaft: die Katalanin Laia Sanmartin, eine ausgebildete Schauspielerin und Clownin) in ihren Körper zurück oder wehrt sich mit Händen und Füßen, wenn etwas gegen ihren Willen geschieht. Birge Schades klare und kluge, so hartnäckige wie herzensgute Annie hat an mehreren Fronten zu kämpfen: gegen die anfängliche Ablehnung Helens, den despotischen Vater (Wolfgang Häntsch) und die von ihm dominierte, verzärtelnde Mutter (Magdalene Artelt). Doch der standhaften Lehrerin gelingt mit den Waffen des Fingeralphabets und des Verstands der Sieg.

"Licht im Dunkel" bis 25.5., Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de