Hamburg. Diese Stimme ist extrem wandelbar. Sie kann Nebelschwaden heraufbeschwören und das Glitzern eines Springbrunnens, sie kann die Süße einer sommerlichen Liebesnacht einfangen und in halb amüsiertes Beleidigtsein umschlagen. Eine solche atmosphärische Dichte schufen die Sopranistin Christiane Karg und der Pianist Burkhard Kehring bei ihrem Liederabend in der Laeiszhalle: So konzentriert lauschte das Publikum, dass man darüber glatt vergaß, dass der Kleine Saal nur halb voll war.

Ein Liederabend ganz ohne Schubert, das geht auch. Sogar wenn man Mignon-Lieder ins Programm nimmt - die gibt es nämlich auch von Hugo Wolf, dem notorisch Unterschätzten. Dazu gesellten die Künstler Werke von Debussy, Richard Strauss und Alban Berg.

Vom ersten Ton an entführten sie ihre Zuhörer in das Reich Pianissimo mit seinen unerschöpflichen Nuancen - und das mit kaum wahrnehmbaren Restspuren einer Indisposition. Karg sang voll auf Risiko, und sie gewann.

Strahlende Höhen, mühelose Beweglichkeit, dramatisches Timbre: Karg verfügt über alle Ingredienzen für eine Weltkarriere. Doch das teilte sich höchstens nebenher mit - Selbstzweck war es nie. Es dauerte mehrere Lieder, bis sie ihre Luxusstimme zum ersten Mal auch nur ansatzweise ausfuhr. Hier ging es um Glaubwürdigkeit, um das Suchen nach dem Kerngehalt. Karg und Kehring erzählten Geschichten und malten sie in delikaten Klangfarben aus, sie stauten oder rafften diskret das Zeitmaß und agierten wie aus einem Atem: kleine Form, große Kunst.

Mehr davon! Und mehr Zuhörer! Bleibt zu hoffen, dass die Veranstalter am Nischenformat Liederabend dranbleiben. Beim Belcea Quartet hat's ja auch funktioniert. Das spielt inzwischen vor vollen Sälen.