Das wunderbare Drama “Meine Woche mit Marilyn“ ehrt den Star unaufdringlich. Michelle Williams ist betörend gut in dieser Filmbiografie.

Achtung, hier kommt sie. Schreitet den Bahnsteig entlang, als wäre er ein Laufsteg. Hüftwackelnd, mit einem perfekten kleinen Hüpfer der Dampfwolke des Zuges ausweichend, im Arm die Ukulele. Es gibt Menschen, die halten Billy Wilders für sechs Oscars nominierte Komödie "Manche mögen's heiß" für den besten Film, der jemals gedreht wurde - was nicht wenig mit Marilyn Monroes Darstellung des hinreißend naiven Draufgängermädchens Sugar zu tun hat.

"Manche mögen's heiß" ist längst Teil des kollektiven Filmgedächtnisses, "Der Prinz und die Tänzerin" dagegen, den die Monroe zuvor gedreht hatte, nur Fans ein Begriff. Die dreiwöchigen Dreharbeiten des Films unter der Regie von Sir Laurence Olivier in London sind Gegenstand von Simon Curtis' Debüt "Meine Woche mit Marilyn", der nun in den deutschen Kinos startet. Und bevor anlässlich des runden Todestages - am 5. August 1962 fand man sie in ihrer Villa in Los Angeles, gestorben wohl an einer Überdosis Schlaftabletten - die Marilyn-Hysterie einsetzt, erzählt dieser Film sehr leise und zurückhaltend einen kleinen Abschnitt aus dem Leben dieser besonderen Frau. Er tut dies aus der Perspektive des 23 Jahre alten Set-Praktikanten Colin Clark, der sich in die Hollywood-Schauspielerin verliebt, so wie manch ein Mann, dem sie für kurze Zeit ihre Gunst schenkte.

In welcher Gemütsverfassung befand sich Marilyn zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 1956? Wie hat sie sich gefühlt am Filmset? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Films, der nicht den Fehler begeht, ein ganzes Leben fassen zu wollen - zumal von dieser Frau, über die mehr als 300 Biografien geschrieben wurden und die allen, die sie je gesehen hatten, auf der Leinwand oder in der Wirklichkeit, ein Rätsel geblieben war. Marilyn Monroe war die sinnlichste aller Frauen aus Hollywood, die aber, sobald die Kamera zu surren begann, sich aufzulösen schien in ein Nervenbündel, in einen Haufen von Neurosen.

"Jeder hat seine eigene Idee davon, wer Marilyn war und was sie ihm bedeutet", sagte Hauptdarstellerin Michelle Williams der US-"Vogue" - und möglich, dass nicht mal die Monroe selbst sagen konnte, wer sie war. Williams jedenfalls, die für ihre Rolle eine Oscar-Nominierung erhielt, zeigt sie als schüchterne Frau mit Angst vor dem Deckungsverlust. Als ein Bündel an Selbstbewusstsein, das das Spiel mit Stärke und Schwäche, Dominanz und Unterwerfung wie keine Zweite beherrscht. Und als Hyperperfektionistin vor der Kamera. Es war die Zeit, als die Monroe Schauspielunterricht bei Lee Strasberg in New York nahm, wo das Einbringen natürlicher Gesten und Gefühle in die Rolle gelehrt wurde. Begleitet nach England wird sie von ihrer Schauspiellehrerin Paula Strasberg, die in diesem Sinne auch mehr Mutterersatz war, als Marilyn auch und vor allem an Filmsets immer auf der Suche war nach einer Heimat, einer Ersatzfamilie. Und natürlich handelt Curtis' Film, der nicht von ungefähr mit einer Szene im Kinosaal beginnt, auch davon: von der Parallelwelt, in der man während eines Drehs lebt; von den Intrigen, Affären und Freundschaften am Set und dem Loch, in das man fällt, wenn man plötzlich wieder allein ist.

Zwei Dinge macht Regisseur Curtis deutlich: Marilyn war kein naives Hascherl; sie beherrschte die Kunst, Männerfragen, Männerwünsche zu reflektieren und ins Publikum zurückzuschicken. "Soll ich 'sie' sein?", fragt sie Colin (Eddie Redmayne), als sie auf einem Ausflug einer Horde Schaulustiger begegnen - und zieht das ganze Repertoire durch: Kussmund, Hüftschwung, Augengeklimper. Ganze Filme hat sie mit dieser Technik bestritten, weißblond, betörend, makellos; dies hier ist noch besser als auf der Leinwand.

Sie konnte aber auch der schiere Terror sein. Niemand aus ihrer Entourage wusste, wann sie explodieren würde. Sie nahm Pillen zu Beruhigung, zur Stärkung, zum Aufwachen, zum Schlafen. Ihre Stimmung war demzufolge: ein Zufallsprodukt. "Akzeptieren Sie Marilyn zu ihren Bedingungen, und Sie bekommen, was Sie wollen", sagt der Produzent zu Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh). "Versuchen Sie, sie zu ändern, und es wird die Hölle." Wie die Nerven des Teams blank liegen und die Monroe gleichzeitig alle in ihren Bann zieht, davon erzählt der wunderbare Film "Meine Woche mit Marilyn".

Bewertung: empfehlenswert

"Meine Woche mit Marilyn" UK/USA 2011, 99 Min, ab 6 J., R: Simon Curtis, D: Michelle Williams, Kenneth Branagh, täglich im Abaton (OmU), Holi, Koralle-Kino, Streit's (OF); www.myweekwithmarilyn.de