Der Klavierabend von Francesco Libetta in der Laeiszhalle

Hamburg. Nett gemeint, wie immer, die Blumen am Ende des Konzerts. Aber wohin damit, jetzt, da der Pianist, zur Zugabe bereit, fast schon wieder auf dem Klavierhocker sitzt? Francesco Libetta fand im Kleinen Saal der Laeiszhalle eine wahrhaft circensische Lösung: Er nahm das Bukett höflich entgegen und behielt es einfach während der kompletten Zugabe in der rechten Hand, während er die hanebüchene Godowski-Bearbeitung von Chopins "Revolutionsetüde" für die linke Hand allein aus den Tasten meißelte.

Was für ein Virtuose, dieser Libetta, vor allem aber: Was für ein Musiker! Die Tücke des im Bassbereich bei manchen Tönen rätselhaft schnarrenden Steinways stoisch hinnehmend, zog er den erfreulich gut gefüllten Saal von den ersten Tönen aus Schumanns Fantasiestücken op. 12 an in seinen Bann. Alles grandiose Temperament sitzt diesem Künstler in den Fingern; frei von jeder Grandezza-Attitüde, nahezu unbewegt, ließ er im nach normalen menschlichen Maßstäben unspielbaren "Allegretto alla barbaresca" des Chopin-Zeitgenossen Charles-Valentin Alkan seine Hände fliegen und donnern und sich überkreuz jagen. Das extrem sportive Stück wirkt wie die pianistische Vision rabiat schnell und irr tanzender Dämonen. Es taucht kaum je in Konzertprogrammen auf, weil sich an all den technischen Gemeinheiten kaum jemand die Finger ausrenken mag. Aber Libetta meisterte nicht nur die wüsten Noten, er machte daraus enorm spannende Musik. Unvermutet huschte Alkan passagenweise sogar als geistiger Vorfahr des Free-Jazz-Klaviergiganten Cecil Taylor durchs Bild.

Kleiner Abstrich an diesem sonst so überzeugenden, ja, oft beglückenden Abend, den der rührige Verein Pro Piano Hamburg veranstaltete: Libettas wohl aus dem Bestreben eines unschuldigen Zugangs heraus allzu spannungsarm gedeuteter Beethoven. Entbehrlich die "Elise" als Vorspiel zur "Pathétique", der der sonst so versierte Melodienzauberer beinahe ihr bescheidenes bisschen Kantabilität austrieb.