Schulamit Meixner scheitert in ihrem Debüt “ohnegrund“ an den eigenen Ambitionen

Schulamit Meixner, aus Wien stammende Jüdin und studierte Judaistin, erzählt in "ohnegrund" von den Wirrungen einer aus Wien stammenden jüdischen Familie, die sich nach der Schoah in Europa und Israel verstreut hat.

Ein großes Thema dies und beileibe kein neues. Dass man es aus überraschenden Blickwinkeln persönlich und konzise erzählen kann, haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Doch Meixner scheitert an ihren hohen Ambitionen. Ihr gelingt es nicht, die vielen losen Enden ihrer Geschichte so dicht zusammenzuführen, wie es die kurze Strecke ihres Formats verlangt.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die junge Amy und ihre neunjährige Tochter, die einander in der Trauer um den verlorenen Mann und Vater Nimrod wie einsame Himmelskörper umkreisen, ohne sich je nahezukommen. Nimrod ist bei einem Attentat in Israel ums Leben gekommen - so weit, so klar. Aber dann schwenkt die Autorin schon ins winterliche London des Jahres 2009. Wie viele Jahre seit dem Attentat vergangen sind, bleibt offen, und warum jedem Kapitel ein kleiner poetischer Wetterbericht vorangestellt ist, erfährt man erst auf der letzten Seite.

Wenn man bis dahin durchhält. Einen Sog entfaltet Meixners Geschichte leider nicht. Nach Belieben wechselt sie die Erzählperspektive. Allzu vieles wirkt nicht durchgearbeitet oder auch - was bei der Kürze des Romans besonders befremdet - schlicht überflüssig. Ständig werden schmutzige Gummistiefel weggeräumt oder Rühreier gebraten, die Dialoge verlieren sich in Nebensächlichkeiten. Die Autorin führt Nebenfiguren ein und legt Erwartungsspuren, die ins Nichts führen.

Schon der Kern des Romans ist schwer zu bestimmen: Liegt er wirklich im Verhältnis zwischen Mutter und Tochter? Oder doch eher im Konflikt zwischen Amy und ihren Künstlereltern, die sie vor lauter kreativer Nabelschau ihre Kindheit hindurch gründlich vernachlässigt haben? Am lebendigsten sind die Alltagsszenen aus dem heutigen Israel. Aber was das spezifisch jüdische Leben in Europa betrifft, beschränkt sich die Autorin auf die Behauptung, die Familie lebe in einem rein jüdischen Londoner Viertel. Und das Schicksal der Großtante, deren Eltern nach Theresienstadt deportiert wurden und nie zurückkamen, streut sie über die Handlung, als wollte sie auch diesen Aspekt jüdischer Lebenswirklichkeit noch abhaken.

So verrinnen die großen Weltläufe und ein müder Familienkonflikt nebeneinander oder auch ineinander, es kommt nicht darauf an. Eine Entwicklung der Figuren ist nicht zu erkennen.

Das Attentat vom Anfang erweist sich schließlich als Erfindung der traumatisierten kleinen Tochter. Nichts gegen Vexierspiele mit der Wirklichkeit - nur dass sie hier nicht konsequent als Stilmittel, sondern eher zufällig eingesetzt werden. Auf traurigere Weise hat ein Romantitel selten gepasst.

Schulamit Meixner: "ohnegrund" Picus Verlag, 192 Seiten, 19,90 Euro