Beim Körber Studio Junge Regie errangen tanzende “Schwarze Jungfrauen“ den ersten Preis

Hamburg. Aggressive "Schwarze Jungfrauen" nehmen sich die Freiheit, freizügig über Religion und Sex zu singen, sich den Hass von der Seele zu reden - und machten damit prompt das Rennen im Wettbewerb des Körber Studios Junge Regie 2012. Malte C. Lachmanns waghalsiger Streich, die offensiv direkt ans Publikum adressierten Muslima-Monologe von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel im choreografierten Korsett einer ironisierenden Musikrevue zu bändigen, wertete die fünfköpfige Jury als preiswürdig.

Der Absolvent von der Bayerischen Theaterakademie August Everding gewann beim Finale des Treffens im Thalia an der Gaußstraße neben einem Blumenstrauß auch den Auftrag für eine Inszenierung. Die meisten Stimmen für den erstmals ermittelten undotierten Zuschauerpreis errang Julia Wissert für ihren unkonventionellen Zugriff auf Ibsens "Nora" an der Universität Mozarteum Salzburg.

Vielfalt der ästhetischen Formen bei annähernd handwerklich hohem Niveau war Trumpf bei der Werksschau von elf Produktionen. Dennoch zeichnete sich ein verbindendes Thema ab und signalisierte die politisch bewusste Haltung der Nachwuchsregisseure: der Protest gegen herrschende Systeme. Egal, ob er an Fassbinders "Anarchie in Bayern", im dokumentarischen Projekt "Frühling und Hoffnung = Bahar und Omid" über ein Geschwisterpaar in Teheran oder an Kleists "Michael Kohlhaas" abgehandelt wurde - übrigens eine reife und heutig reflektierte Interpretation des Novellenstoffs von Felix Meyer-Christian von der Hamburger Theaterakademie.

"Terrorism" von den Brüdern Presnjakow in der Regie der Norwegerin Maren E. Bjoerseth von der Amsterdamer Theaterschool gab eher groteske und komödiantische Beispiele für Gewalt und Unterdrückung im Alltag. Auch die beiden Dramenbearbeitungen - Dominik Lochers "Enjoy Violence" nach Horváths "Kasimir und Karoline" und Lilja Rupprechts "Clavigo"-Zapping zwischen Goethe und Pop - zeigten die Auswirkungen des sozialen Drucks und der Unsicherheit der Verhältnisse auf den Einzelnen.

Juror Andreas Beck, künstlerischer Leiter des Wiener Schauspielhauses, lobte die Qualität der Produktionen, von denen keine unterhalb der Messlatte ausgefallen sei, wie auch die ästhetische Bandbreite und den Mut zu biografisch-dokumentarischen Projekten. Etwa das der Autorin und Regisseurin Vanessa Emde von der erstmals am Forum teilnehmenden Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. "Von toten Vögeln" schilderte die Geschichte und Beziehungen der Frauen aus drei Generationen ihrer Familie, bewahrte bei aller Subjektivität unsentimental poetische Distanz.

Für Andreas Beck alles Gründe genug für die Forderung, "die Polyfonie der Ausbildungsstätten zu erhalten und nichts an ihnen zu kürzen".