Tiefe Einblicke: die Dokumentation “Violinissimo“

Es gibt viele Geheimnisse der Musiker-Existenz, von denen ein normaler Konzertbesucher kaum etwas mitbekommt: Welche Steine lagen auf dem Weg zur Bühne? Was genau bewirkt ein guter Lehrer? Was treibt den Künstler an? Welche Rolle spielt Kritik? Woher nimmt man Selbstsicherheit in Zeiten persönlicher Krisen und Zweifel? Wie findet man zur Seele der Musik, die man gleich öffentlich spielen wird? Wie übersteht man die quälende Wartezeit vor dem Gang aufs Podium?

Für die Dokumentation "Violinissimo" haben drei junge Top-Geigerinnen und -Geiger den beiden Filmemachern Stephan Anspichler und Radek Wegrzyn ihre Seelen geöffnet. Clara-Jumi Kang, ein Wunderkind aus Südkorea, träumt von der Solisten-Karriere in Europa, die ein Sportunfall beinahe unmöglich gemacht hätte. Der Israeli Itamar Zorman will sein Publikum berühren und hat sich das Geigespielen auch durch die Armeezeit bewahren können. Und die Französin Solenne Païdassi kennt die Einsamkeit in einem fremden Land, in dem man nur wegen des Geigenstudiums lebt.

Die Filmer haben die drei Solisten in den Finalrunden des Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerbs beobachtet, der alle drei Jahre in Hannover stattfindet. Wer hier reüssiert, bekommt erhebliche Unterstützung bei der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten und kann eine CD produzieren.

Anspichler und Wegrzyn erzählen die drei Geschichten eng verwoben und mit der Musik verflochten; sie spüren hochsensibel die Unterschiede der drei Künstlerpersönlichkeiten schon in ihren Lebenswegen auf. Und bleiben dicht dran, wenn sie auf der Bühne stehen oder die Sekunden vor der Bekanntgabe des Jury-Entscheids durchleiden. Der Film ist für jeden Klassikfreund eine großartige Verständnishilfe. Denn er zeigt, was im weitgehend durchperfektionierten Konzertgeschehen oft nicht mehr wahrzunehmen ist: Wie die Musik im Inneren der Seele entsteht und dass man gelebt haben muss, um in der Musik etwas davon erzählen zu können.

Bewertung: empfehlenswert

"Violinissimo" D 2011, 82 Min., o. A., R: Stephan Anspichler, Radoslaw Wegrzyn, Fr + So im Abaton, täglich im Koralle; www.violinissimo-film.com