Im Märchenfilm “Spieglein, Spieglein“ überzeugt nur Julia Roberts als böse Stiefmutter

Es ist ein Jammer, dass Julia Roberts nur noch so selten auf der Leinwand zu sehen ist. Auch ihr Händchen für die Wahl ihrer Rollen hat, mit Verlaub, ein wenig nachgelassen: Die Komödie "Larry Crowne" blieb in ihrer eigenen Schablonenhaftigkeit stecken, die Selbstfindungsromanze "Eat Pray Love" war so berauscht von ihren exotischen Kulissen, dass darüber leider das Drehbuch vergessen wurde. Und die Agenten-Lovestory "Duplicity" verzettelte sich derart in Möchtergernraffiniertheit, dass man sie auch nach zweimaligem Sehen nicht ganz kapierte. Nun ist Julia Roberts zurück im Kino. "Spieglein, Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen" heißt die Neuinterpretation des grimmschen Klassikers von Tarsem Singh, in dem Roberts mit Verve und Spielfreude die böse Stiefmutter gibt.

Dass der Regisseur sich ausgerechnet das langweiligste aller Märchen zur Wiedervorlage genommen hat - schade. Er lässt jedoch keinen Zweifel, was ihn gereizt hat an der Geschichte um Schönheit und Missgunst: ebenjene Stiefmutter. Schneewittchen, die Phil Collins' Tochter Lily als kulleräugige, apfelbackige Unschuld spielt, darf nicht viel mehr als herzallerliebst leiden. Der Prinz, um dessen Gunst die Damen buhlen, ist ein hübscher, aber öder Schluffi, eine Mischung aus Ken-Klon und Calvin-Klein-Unterwäschemodel.

Die Pointen, die Verblüffungsmomente, die Überdrehtheiten - alle guten Szenen bekommt Julia Roberts als schöne Hexe mit Dollarzeichen in den Augen, bereit, sich für ihre Schönheit von Maden im Gesicht bekriechen, von Knabberfischen Hornhautschuppen von den Füßen picken zu lassen.

Tarsem Singh ("The Fall") ist ein Bildermagier - und als reiner Bilderrausch, als Kostümfest funktioniert "Spieglein, Spieglein" wunderbar: farbenprächtige Roben, neuschwansteinhafte Schlösser, Waldtraumlandschaften. Weil die Handlung als allseits bekannt vorausgesetzt werden dürfte, bleibt genügend Zeit, sich von der optischen Opulenz überwältigen zu lassen.

Noch eine weitere Schneewittchen-Neuverfilmung kommt dieses Jahr in die Kinos: In "Snow White and the Huntsman" spielt Kristen Stewart Schneewittchen, Charlize Theron die böse Königin. Julia Roberts aber wünscht man für die Zukunft endlich wieder eine richtig tolle Rolle.

Bewertung: annehmbar

"Spieglein, Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen" USA 2012, 106 Min., o. A., R: Tarsem Singh, D: Julia Roberts, Lily Collins, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg, UCI Mundsburg/Othmarschen/ Smart-City; www.spiegleinspieglein.studiocanal.de