Im Vierteiler “Titanic“ legt der britische Regisseur Julian Fellowes sein Augenmerk auf die Klassenunterschiede an Bord des Luxusdampfers

Als das Wasser sturzbachartig in den Schiffsbauch einbricht, die Rettungsboote eilig von der Reling heruntergelassen werden, ist es für einen Moment, als existierten sämtliche Klassenunterschiede nur auf dem Papier. Die kostbaren Broschen und Roben der hochwohlgeborenen Töchter, die dreiteiligen Anzüge der Adligen - alle Insignien der Reichen und Mächtigen sind unter den gepolsterten Rettungswesten verschwunden.

Die Angst vor der unberechenbaren See verdrängt jede aufwendig hineingeschminkte Jugendlichkeit und Frische in den Gesichtern, die vom Luxus derjenigen zeugt, die es sich leisten können, sich um ihre Schönheit zu kümmern. Ob Holzklasse, Mittelklasse oder erste Klasse: Die rund 2200 Passagiere an Bord der legendären "Titanic", dieses angeblich unsinkbaren Luxusdampfers, eint in diesen Stunden ein einziger Wunsch: zu überleben.

Der oscarprämierte Drehbuchschreiber und Romancier Julian Fellowes hat in seinem Vierteiler "Titanic" das Schicksal der Menschen an Bord aus verschiedenen Perspektiven erzählt: Mal stehen Auswanderer aus der dritten Klasse im Mittelpunkt, im Gepäck nicht viel mehr als ihre Hoffnung auf ein besseres Leben; mal Adelsfamilien und solche, die zum aufstrebenden amerikanischen Kapitalismus zählen. Wie man die Welt von vorgestern mit Eleganz und Detailversessenheit inszeniert, hat Fellowes bereits in der Serie "Downton Abbey" um eine britische Aristokratenfamilie bewiesen, die längst Kultstatus genießt. Auch in seinem neuen (spaßeshalber "Downton zur See" genannten) Werk legt er den Schwerpunkt auf zarte Romanzen und bissig-bösen Klassendünkel vor prächtiger Kulisse. Gefilmt im braungetönten Pastell-Look zeigt er das Schiff als schwimmendes Abbild einer Klassengesellschaft. Die Treppen zwischen den Decks fungieren als Trennlinien zwischen den Teezeremonien und Tanzabenden der ersten Klasse und den tiefergestapelten Klassen, deren soziales Ende im Maschinenraum bei den Kohle schaufelnden Männern mit den rußverklebten Gesichtern erreicht ist.

Da sind die snobistische Lady Menton, die sich weigert, gemeinsam "mit einer Hure" ins Rettungsboot zu steigen, und die rebellische Tochter des Herzogs, die den Jung-Adeligen den Kopf verdreht. Weiter der italienische Kellner, der mit den höheren Töchtern flirtet, während er ihnen pochierten Lachs serviert und sich in die apfelbäckige Chefhostess verliebt ("Küss mich in New York", sagt sie, bevor sie ins Rettungsboot klettert). Historische Schicksale im Gewand einer Seifenoper zu erzählen, das kann vielleicht niemand so treffsicher wie Julian Fellowes. Kein Wunder, dass der Vierteiler bereits in 86 Länder verkauft wurde.

Wer im Angesicht der Katastrophe Größe zeigt, wer sich als Feigling entpuppt und nur die eigene Haut zu retten versucht - angelegt sind die charakteristischen Feinheiten der rund zwei Dutzend Passagiere, auf die der Regisseur sein Augenmerk legt, bereits in den ersten Begegnungen: Wer sieht im Schiffsdeck eine Art Laufsteg für Brautschau; wer speichelleckt sich in eine höhere Klasse, benimmt sich wie ein Cockerspaniel, der getätschelt werden will? Welche Liebe hat womöglich eine Zukunft, welche ist schon lange vor dem Schiffsunglück gestorben? Dass man weiß, wie es endet, tut der Spannung in diesem Fall keinen Abbruch - auch wenn erst in der letzten Folge klar wird, wer es tatsächlich ins Rettungsboot und später an Land geschafft hat.

"Ich habe noch nie eine ruhigere See gesehen", sagt der Kapitän mit dem Rauschebart, der sich als nicht halb so gutmütig entpuppt, wie er ausschaut. Zeit gewinnen will er, ein paar Knoten zulegen, um wertvolle Stunden herauszuschlagen; in seinem Übermut ist er blind für die Einwände der Crew.

Zu diesem Zeitpunkt noch schiebt sich der schwarz-weiße Koloss mit den Holzschnitzereien an Decken und Wänden, den kristallenen Leuchtern in den Salons sanft über das Wasser und pustet Dampfwölkchen in den Himmel, unbeeindruckt von dem Hickhack und den Intrigen machiavellischen Ausmaßes, die auf ihm stattfinden. Ein Grandhotel auf dem Atlantik, das dem Untergang geweiht ist. Dann brechen auch schon die Wassermassen herein.

"Titanic", Karfreitag, 17.30, ZDF (zwei Folgen), Folgen drei und vier Ostermontag, 17.30