Musik für Lebensreisende: Die famose Loreena McKennitt und ihre nicht minder großartige Band machten das Publikum im CCH glücklich.

Hamburg. Es ist wahrscheinlich kein bisschen hip, so etwas zu sagen, aber Loreena McKennitt ist schon mal von ihrer bloßen Erscheinung auf der Bühne her eine Wohltat. Die kanadische Sängerin und Songschreiberin ist ein lebendes Beispiel dafür, wie eine Frau in Würde, Schönheit und Freude alt werden kann. Ihr Anblick wirkt als Gegengift zu all den gelifteten oder bis zur Unkenntlichkeit übermalten weiblichen Bühnenexistenzen, die da glauben, ohne derlei Selbstentstellungen wären sie unwiederbringlich weg vom Fenster mit Blick aufs Publikum. Loreena McKennitt versteckt die Spuren nicht, die die Jahre in ihrem Gesicht hinterlassen, und wer mag, der sieht darin noch immer manche Elfe und manchen Kobold der Kelten umherspringen.

Denn die Kelten, das teilt sich musikalisch vom ersten Ton an mit, sind McKennitts künstlerisches Lebensthema. Sie hat die Wanderbewegungen dieses gebeutelten Volkes, das man auf der Weltkarte mit Irland, Schottland und der Bretagne nur sehr unzulänglich lokalisiert, so gründlich studiert, dass sie auch als Gelehrte durchgehen könnte. Aber dazu ist die Frau mit den splissigen rotblonden langen Haaren und der Ponyfrisur viel zu sehr Musikerin. Ihr Gesang hat eine bisweilen an Schärfe grenzende Klarheit, sie spielt Harfe, Klavier und Akkordeon, und vor allem reist sie mit einer wunderbar kompetenten Band. Wer da glaubt, es handle sich bei ihrer Musik um handelsüblichen Irish Folk, dargeboten von lauter talentierten, aber leider chronisch rotäugigen und -nasigen Guinnessfässern auf zwei Beinen, irrt gewaltig.

Auch wenn sich ihr Fiddler Hugh Marsh im Verlauf des gut zweistündigen Konzerts im nahezu ausverkauften Saal 1 des CCH am Montagabend zum heimlichen Solostar entwickelte, so standen ihm die sieben anderen Musiker doch in nichts nach. Caroline Lavelle, die längst eine Karriere unter eigenem Namen gemacht hat, gab den tanzenden, fliegenden Improvisationen des Geigers auf ihrem Cello immer wieder einen Anker. Dass die Uilleann Pipes bei Gott ganz was anderes sind als ein in Einheitslautstärke plärrender Dudelsack, konnte man bei jedem der seelenvollen Soli hören, die Ian Harper beisteuerte. Phrasierung, Tonbildung, Blue Notes - na klar klingt das nach Sehnsucht. Aber auch nach dem Überschlagen einer Stimme, die weint und erzählt und lacht und seufzt und weitererzählt. Diese Band verströmte eine besondere Humanität, und das lag nur zum geringen Teil an der vorzüglichen Aussteuerung in der Halle. Man hört einfach nur so selten Musik, die immer so nah am Menschen bleibt wie die von Loreena McKennitt.

Ben Grossman schlug sacht mit dickem Schlägel auf die Bodhran, die keltische Rahmentrommel, und das Hurdy gurdy, die Drehleier, handhabt er so virtuos, dass er darauf tollsten Blues spielen kann. Manchmal, wenn der stets mit leichten Sticks spielende Roy Dodds aufs Fell der Stand-Tom wirbelte, klang es nach Landsknechtstrommel, und da schien es, als drehe jemand die Zeit so weit zurück, dass in den vier Kandelabern über der Bühne plötzlich nicht mehr auf Kerze getrimmte elektrische Birnchen steckten, sondern wie einst von Hand entzündete Fackeln.