Neun Passionen, ein Ballett: Ostern ist Hochsaison für Freunde der Kirchenmusik

Diverse Kirchen/Oper. Ostern ist die intensivste Zeit für Christen. Mit-Leidenszeit und Freudenzeit folgen innerhalb weniger Tage und Nächte aufeinander, der Opfergang Christi auf den Hügel von Golgatha und das Wunder seiner Auferstehung bilden das zentrale Mysterium für alle Menschen, die sich zu diesem Glauben bekennen.

Anlässlich von Christi Geburt zu Weihnachten wird manch prächtiges Oratorium aufgeführt; doch der Leidensweg Jesu, der Verrat des Judas und Jesu Tod am Kreuz hat die in Diensten der Kirche stehenden Komponisten ungleich stärker beschäftigt und zum Schreiben großer Passionen veranlasst. Seit dem 17. Jahrhundert fassten Komponisten wie Heinrich Schütz den Leidensweg Jesu anhand von biblischer Überlieferung und oft mithilfe weiterer Texte in Musik. Und die Gemeinden in Hamburg waren schon früh der Passion besonders zugetan. Heute erklingen hier am Karfreitag hauptsächlich die Werke des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach, doch gibt es auch in diesem Jahr Aufführungen der Johannes-Passion von Heinrich Schütz.

Neben diesen großen Werken für Chor, Solisten und Orchester der Meister des deutschen Barock können die Gläubigen und/oder an geistlicher Musik interessierten Menschen am Karfreitag auch noch eine ganze Reihe anderer lohnender Aufführungen erleben, etwa "Das Leiden Christi" von Mendelssohn (Thomaskirche Hausbruch, 15 Uhr), das Requiem c-Moll von Cherubini (Blankeneser Kirche am Markt, 18 Uhr) oder Kantaten von Christoph Graupner (Dreifaltigkeitskirche Harburg, 15 Uhr). Bachs Passionswerke überstrahlen jedoch alles. Das Angebot ist so groß, dass, wer sich nicht ohnehin seiner Gemeinde zugehörig fühlt und folglich selbstverständlich in "seine" Kirche geht, vor der Qual der Wahl steht, welche Passionsaufführung zu besuchen sei.

So erklingt Bachs Johannes-Passion in den beiden Hauptkirchen St. Michaelis und St. Petri unter ihren jeweiligen Kantoren Christoph Schoener und Thomas Dahl. Die Johannes-Passion von Heinrich Schütz unter der Leitung von Manuel Gera ist ebenfalls im Michel zu hören, schon am Nachmittag beim Sondergottesdienst zur Sterbestunde Jesu, bei dem Hauptpastor Alexander Röder die Predigt hält.

Thomas Dahl wird die Fassung von 1725 aufführen, werkgeschichtlich die zweite, gravierend umgearbeitete nach der Uraufführung in der Leipziger Thomaskirche am Karfreitag 1724. Daniel Behle gibt den Evangelisten, es singt der Hamburger Bachchor St. Petri.

In St. Jacobi erklingt unter der Leitung von Hamburgs kirchenmusikalischem Oberkreativkopf Rudolf Kelber eine Lukas-Passion. Aus den hinsichtlich Bachs Urheberschaft ohnehin zweifelhaften Quellen und eigenen Hinzufügungen schuf Kelber ein Pasticcio, das er am Karfreitag 2011 erstmals aufführte. Zwischenzeitlich hat er das Werk neu durchgesehen: "Für mich persönlich war die Arbeit in J. S. Bachs Komponierstübchen wieder zutiefst beglückend, und ich kann auch nach der zweiten Durcharbeitung mit kleinen Änderungen, Korrekturen und Pointierungen sagen, dass ich das verwegene Projekt nicht bereue."

Wer sich nicht nur hörend in die mächtigen Chöre, die ergreifenden Soli und Instrumentalpassagen vertiefen, sondern eine getanzte Vision von Jesu Leidensweg sehen möchte, führe sich John Neumeiers "Matthäus-Passion" als Ballett zu Gemüte. Bewegend, in jeder Hinsicht - auch kalendarisch: Die Aufführungsserie beginnt pünktlich zur Auferstehung: am Ostersonntag.

Johann Sebastian Bach: Johannes-Passion, Fr 6.4., Hauptkirche St. Michaelis (Christoph Schoener); Hauptkirche St. Petri (Thomas Dahl); Maria-Magdalenen-Kirche Reinbek (Hartmut Petry).

Lukas-Passion, Hauptkirche St. Jacobi (Rudolf Kelber).

Markus-Passion, Kirche am Rockenhof, Volksdorf (Volkmar Zehner).

Matthäus-Passion, Hauptkirche St. Nikolai 17.00 (Matthias Hoffmann-Borggrefe).

Heinrich Schütz: Johannes-Passion Christopheruskirche Hummelsbüttel (Eckart Person), 10.00 Uhr (Eintritt frei, Kollekte). St. Georgkirche (Ingo Müller) 15.00 (Eintritt frei, Kollekte), Hauptkirche St. Michaelis (Manuel Gera) 15 Uhr. Alle Aufführungen beginnen, wenn nicht anders angegeben, um 18 Uhr, der Eintritt kostet, wenn nicht anders angegeben, 8 Euro und mehr.

John Neumeier: Matthäus-Passion, So/Mo/Di 8./9./10.4. 18.00 bzw. 18.30 (10.4.), Staatsoper