Die famose Julia Koschitz bringt in das verstörende Drama “Uns trennt das Leben“ als Psychologin einen Hauch mädchenhafte Leichtigkeit.

Julia Koschitz verfügt über eine Menge Talente. Mit Blicken jonglieren etwa: hinaus aus dem Fenster, zurück zum Liebhaber. Kein Wort, nur das Kreisen ihrer Augen braucht es im Episodenfilm "Ruhm" - derzeit im Kino -, um eine Beziehung am Gefrierpunkt zu erzählen.

Koschitz macht gute Filme besser und schlechte wenigstens erträglich. Es ist ihr gelungen, mehr als nur eine Schiene zu bedienen: Ob Komödie oder Drama, Mainstream oder Arthouse - wenn die in Brüssel geborene, in Wien ausgebildete Schauspielerin mit von der Partie ist, hat der Zuschauer die Gewissheit: Ganz schlecht wird's nicht. Ihre Schauspielkunst ist ein Qualitätssiegel. Hinzu kommt ein uneitles Auftreten, wie man es selten erlebt bei Schauspielerinnen ihrer Klasse. Julia Koschitz ist sehr schön - aber keine konfektionierte Schönheit. Sie sieht aus wie jemand, der es ablehnt, sich übermäßig um sein Aussehen zu kümmern, und trotzdem immer irgendwie gut aussieht. Gut meint in diesem Fall: wie einem tschechischen Märchenfilm entstiegen: Haut wie Schnee (ungeschminkt), Haare wie Ebenholz - seit einiger Zeit allerdings bubikopfkurz geschnitten. Ihre scheinbar größte Sorge: Sie könne abgehoben rüberkommen.

"Ich bin kein Durchstarter", sagt die 37-Jährige deshalb auch gleich im Gespräch, nachdem sie Wasser mit Zitrone bestellt hat (die Kellnerin bringt dann: heiße Zitrone). "Ich hab den klassischen unspektakulären Weg über die Provinztheater gemacht. Manchmal hätte ich es mir anders gewünscht, im Nachhinein bin ich ganz froh darüber. So hatte ich immer den Eindruck: Es geht aufwärts."

In der Tat, es ging, es geht aufwärts. Sie hat in der erfolgreichen RTL-Arztserie "Doctor's Diary" eine spitzzüngige Oberärztin gespielt, den Großstadtbeziehungskomödien "Shopping" und "Der letzte schöne Herbsttag" herzerwärmende Momente jenseits des Klischees abgerungen.

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In dem heute ausgestrahlten Fernsehfilm "Uns trennt das Leben", einem Drama voll Kälte und Verzweiflung, schlüpft sie in die Rolle einer Kinderpsychologin, die einen Achtjährigen therapiert, der ein gleichaltriges Mädchen erschlagen hat. Ein Gänsehautfilm (Regie: Alexander Dierbach), der von der Schwere seines Themas leicht erdrückt werden könnte. Doch Koschitz temperiert die Emotionen ein paar Grad herunter. In regenwolkenverhangenen Szenen drückt sie nicht extra auf die Tube, sondern schenkt ihnen einen Auftritt mädchenhafter Leichtigkeit, Bodenständigkeit, wie es nur jene Schauspieler schaffen, die ganz bei sich sind, nicht bei der Bedeutungsschwere des Moments.

Ein Naturtalent, möchte man meinen, der Weg zur offensichtlichen Mühelosigkeit allerdings ist Arbeit. Als "Vorbereitungsfreak" bezeichnet sich Koschitz selbst: "Je mehr ich von einer Figur weiß, je präziser ich sie analysiert habe, desto freier bin ich und kann mich beim Dreh auf die Situation und die Kollegen einlassen."

Nicht nur entdeckt man in der Filmografie der Schauspielerin, die seit zehn Jahren in München lebt und mit dem Regisseur Ralf Westhoff liiert ist, auffällig wenig Trivialschund; sie schreit geradezu: Workaholic. Allein acht aufwendige Produktionen hat sie im vergangenen Jahr gedreht. Dabei steckt Koschitz derzeit in einer drehfreien "Inputphase", wie sie das nennt. Rennt ins Kino, ins Theater, in Ausstellungen. Oder guckt anderen Leuten beim Leben zu, saugt Alltäglichkeiten auf. Und doch ist da dieses Gefühl, wenn Julia Koschitz von diesen seltenen ruhigen Zeiten schwärmt: Am liebsten würde sie aufspringen und weiterdrehen. Dabei dem Bauchgefühl folgend: "Mein größter Traum ist es, nur Filme zu machen, die ich selber gucken wollen würde."

Ist der Job dann beendet, der Film abgedreht, sei sie "extrem selbstkritisch": "Ich gehe meinen Freunden bestimmt auf die Nerven damit, weil ich selten sagen kann: Das war doch ganz gut. Andererseits ist mein Selbstzweifel auch mein Motor." Ein Motor, der läuft und läuft und läuft. Viele Möglichkeiten also, das Talent der Julia Koschitz zu entdecken.

"Uns trennt das Leben", heute, 20.15 Uhr, ARD