Philipp Himmelmann hat vor 25 Jahren in Hamburg Opernregie gelernt. Jetzt inszeniert er erstmals an der Staatsoper

Staatsoper. Ihre erste gemeinsame Arbeit an einer Oper von Giacomo Puccini erlangte, nun ja, nicht Weltruhm, aber doch eine Fernseh- und Kinoberühmtheit, nach der sich Opernhäuser in Zeiten gründlichen öffentlich-rechtlichen Desinteresses an ihrer Kunstform völlig vergeblich strecken. Das magische Riesenauge der "Tosca"-Inszenierung von Philipp Himmelmann und Johannes Leiacker (Bühnenbild) auf der Seebühne zu Bregenz war in jenem fernen Sommer 2008, als in Österreich und der Schweiz die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wurde, omnipräsent als Kulisse für die ZDF-Expertenrunde. Und im James-Bond-Film "Ein Quantum Trost" schaut Daniel Craig kurz mal von hoch oben dem Bühnengeschehen um das "Tosca"-Auge zu, während er konspirative Telefonate führt.

Ein vergleichbarer Medien-Scoop dürfte dem Team Himmelmann/Leiacker mit seiner Lesart von Puccinis "Manon Lescaut", die am Sonntag an der Hamburgischen Staatsoper Premiere hat, kein zweites Mal glücken. Doch am Ende der sechswöchigen Probenphase versprüht Himmelmann nichts als Zuversicht, Optimismus und gute Laune. Er wird die Geschichte um die Titelfigur Manon, die sich im Lauf der Oper fast archetypisch vom fürs Kloster bereiten Mädchen über die Kurtisane und die Gefallene bis zur Sterbenden verwandelt, nicht aus ihrer Sicht erzählen, sondern aus der des Mannes, der sie unglücklich liebt: der des Studenten Des Grieux.

"Ich habe im Libretto, in diesem Stationendrama nach der Erzählung des Abbé Prévost, in dem die Szenen ziemlich unverbunden nebeneinander stehen, nach dem Gravitationszentrum gesucht. Für mich ist Des Grieux der Dreh- und Angelpunkt." Himmelmann diagnostiziert bei ihm das Trauma Liebesverlust: "Es belästigt ihn, jagt ihn, lässt ihn unfrei werden." Die Tragödie des Mannes, der die ihm nur sehr ambivalent zugetane geliebte Frau in die Verbannung nach Amerika begleiten will, endet in Illusion und Einsamkeit. "Was, wenn die Manon gar nicht real existiert, sondern nur in seiner Projektion? Was, wenn alle Figuren nichts sind als Produkte seiner Fantasie?"

+++Tragisches Frauenschicksal+++

Regisseure müssen Stücke neu denken, sonst ist es langweilig, sie zu inszenieren. Himmelmann ist noch keine 50 Jahre alt und beschäftigt sich schon länger als sein halbes Leben damit, (in der Regel) alten Texten und alter Musik ihre Relevanz für die Opernbühne von heute abzulauschen. 1962 in Bonn geboren, studierte er in Hamburg Gesang und Musiktheater-Regie. "Ich hatte wahnsinnig viel Glück", erzählt Himmelmann, der äußerlich als Drillingsbruder von Joachim Król und Thomas Herrmanns durchgehen könnte.

Himmelmanns Glück hörte auf den Namen Horst Statkus. Der Theatermann hatte 1987, im Jahr von Himmelmanns Diplom, die Intendanz des Luzerner Theaters übernommen und zwei Inszenierungen des Studenten gesehen, "Orpheus und Eurydike" von Christoph Willibald Gluck und Mozarts "Zauberflöte", die damals beide in der Markthalle aufgeführt wurden. "Er lud mich sofort nach Luzern ein, und von da an habe ich jede Spielzeit dort zwei Inszenierungen machen dürfen, zwölf Jahre lang", erzählt Himmelmann. Die sahen wiederum andere Intendanten, sodass der Regisseur, der die Kunstform Oper keineswegs für naturgegeben notwendig hält, von einem Engagement zum nächsten weitergereicht wurde. An kleine Häuser, an große Häuser, auf die Riesen-Seebühne in Bregenz.

Dass er nun, 25 Jahre nach seinem Debüt als Opernregisseur, erstmals an der Dammtorstraße inszenieren darf, empfindet er keinesfalls als überfällig. Er ist einfach nur froh darüber. Und denkt doch jedes Mal, wenn er von seinem Wohnort Berlin nach Hamburg reist und mit der Bahn an der Markthalle vorbeifährt, an seine Anfänge zurück. An den "Orpheus", dessen Geschichte er seither vielmals inszeniert hat. "Orpheus, der singende Mensch - das ist doch der Topos der Oper schlechthin."

"Manon Lescaut" So 1.4., 18.00 (Premiere) Staatsoper (U Gänsemarkt/U Stephansplatz), Karten zu 6,- bis 158,- unter T. 35 68 68; weitere Vorstellungen: 4., 7., 12.,15., 19., 24., 29.4, jew.19.30