Das Drama “Wer weiß, wohin?“ ist zu schlicht gestrickt. Mit Rauschmitteln und Sex ist noch kein Bürgerkrieg verhindert worden.

Langsam bewegt sich der Trauerzug auf den außerhalb des Dorfes gelegen Friedhof. Wieder beerdigen die Frauen eines namenlosen Dorfes im Nahen Osten einen Mann oder Sohn oder Bruder. Nur die Frauen erweisen dem Toten die letzte Ehre, Männer sind nicht zu sehen. So beginnt "Wer weiß, wohin?", der neue Film von Nadine Labaki. Vor vier Jahren wurde sie für "Caramel" gefeiert, in ihrer neuen Arbeit hat die Schauspielerin und Regisseurin die libanesische Hauptstadt verlassen und ist aufs Land gegangen.

Das Dorf, in dem ihre Geschichte spielt, ist nur über eine schmale Brücke zu erreichen, links und rechts des Weges ist die Landschaft vermint. Seit einigen Jahren leben Christen und Moslems hier friedlich zusammen, die Gräuel und gegenseitigen Morde des Bürgerkriegs sind Geschichte. Ein gemeinsamer Fernsehabend reißt alte Ressentiments wieder auf: In den Nachrichten wird berichtet, dass in der Hauptstadt Kämpfe zwischen den verfeindeten Religionsgruppen ausgebrochen sind. Auch im Dorf kommt es zu gegenseitigen Provokationen. Die Frauen wollen eine Eskalation verhindern.

Krieg zwischen Religionen ist für die Libanesin Labaki Realität. In ihrem Film entwirft sie ein Szenario, in dem die Dorffrauen mit kleinen Tricks versuchen, die Spirale der Gewalt zwischen den Männern aufzuhalten - mit Haschisch-Keksen, ukrainischen Tänzerinnen und dem Verstecken der Gewehre. Labaki, die in ihrem eigenen Film die resolute Besitzerin des Dorf-Cafés spielt, benutzt für dieses hochpolitische Thema die Form der Burleske, doch sie scheitert. Trotz einiger komischer Szenen fehlt es ihrem Film vor allem an einem durchgehenden Rhythmus. Die Szenen mit den Tänzerinnen aus Osteuropa zum Beispiel wirken völlig überkandidelt. Ihr utopischer Entwurf ist nicht ernst zu nehmen, mit Rauschmitteln und Sex ist noch kein Bürgerkrieg verhindert worden.

Bewertung: annehmbar

"Wer weiß, wohin?" Frankreich/Libanon 2011, 102 Min., ab 12 Jahren, R: Nadine Labaki, D: Nadine Labaki, Layla Hakim, täglich im Passage; Internet: www.werweisswohin-derfilm.de