Jeffrey Tate und die Symphoniker spielen zwei sechste Sinfonien

Hamburg. Man kann es weit treiben mit der Zahlensymbolik. Musikwissenschaftler geheimnissen insbesondere in Werke von Johann Sebastian Bach manch okkulten Zusammenhang hinein. Ganz so weit sind die Hamburger Symphoniker nicht gegangen, als sie auf das Programm ihres sechsten Symphoniekonzerts gleich zwei sechste Sinfonien setzten, nämlich die von Beethoven und die von Sibelius. Launiges Motto: "Der sechste Sinn". Im Gegenteil: Chefdirigent Jeffrey Tate hatte jenseits dieser numerischen Häufung eine Programmidee parat, die er eingangs erläuterte und im Folgenden auch musikalisch beeindruckend durchhielt: "Beide Sinfonien sind Hymnen an die Natur."

Von Beethovens "Pastorale" weiß das jedes Schulkind etwa ab der zehnten Klasse. Tates Lesart hatte indes nichts Belehrendes oder Erzählendes. Er betonte eher den kontemplativen Aspekt und malte die Sinfonie zu einem Landschaftsbild aus: Da murmelte ein Bächlein und zwitscherten die Vögel, und der Gewitterdonner kam dank verschiedener Paukenschlegel in allen Abstufungen zwischen Grummeln und Knall daher. Zwar gelangen nicht alle Bläserstaccati gleichermaßen trennscharf, und Stellen wie das Pianissimo zu Beginn des dritten Satzes hätte man sich durchaus leiser vorstellen können. Doch entlockte Tate den Musikern einen drucklos strömenden Klang und formte die kleinen Figuren zu präziser Lebendigkeit. Man sah ihn vor sich, den imaginären Wanderer, wie er die Schönheit der Schöpfung reflektierte.

Faszinierend nach der Pause der topografische wie stilistische Wechsel in das Finnland des frühen 20. Jahrhunderts. Tate machte eine Tugend aus Sibelius' klaren, schlichten Formen und brachte die Musik in raffinierten Farben zum Schweben. Wie er sich auf die pure Gestalt des Klangs einließ und jede Banalität elegant umschiffte, das war große Kunst.