Eine Glosse von Armgard Seegers

Yasmina Reza, Elfriede Jelinek, Botho Strauß mögen die meistgespielten zeitgenössischen Autoren an deutschen Theatern sein - allein in Sachsen-Anhalt ist es anders. In Halle, Dessau oder Wittenberg ist Andreas Hillger, auch bekannt unter den Pseudonymen Frank Wallis und August Buchner, der meistgespielte Autor. Warum? Ticken im Osten immer noch die Uhren anders? Nein, Hillger ist Theaterkritiker der "Mitteldeutschen Zeitung", hat jahrelang unter den Namen Wallis und Buchner Stücke verfasst und die Aufführungen dieser Stücke dann gleich in seiner Zeitung bejubelt. Da hat einer aber wirklich mal verstanden, wie freie Marktwirtschaft geht. Kein Wunder, dass die Theater immer neue Stücke von ihm wollten, der Hymnus der Aufführung war ja gleich mitgebucht. Oder zumindest ein Artikel über die kluge Spielplangestaltung der Häuser.

Wo Hillger selbst nicht jubeln konnte, griff seine Frau Ilka, ebenfalls Journalistin, hilfreich ein. "Gottes Narr und Teufels Weib" hieß eines von Hillgers Stücken. Na, wenn das mal nicht prophetisch gedacht war. Vor einer Woche schrieb Hillger seinen letzten Artikel in der Zeitung. Jetzt, wo sein Doppelleben aufgeflogen ist, wurde er entlassen. Hillger, der sogar einmal zur Jury des renommierten Theatertreffens gehörte, empfindet seine Enttarnung nun als "Befreiung". Werden die Theater jetzt Shakespeare und Tschechow spielen? Das wäre mal ein Grund, um zu jubeln.