Hamburg. Springt sie nun, oder springt sie nicht? Das ist die Frage in Nino Haratischwilis Dialog-Duell "Ich, Du, Marina", dessen Uraufführung die Dramatikerin im Lichthof auch inszenierte. Ihr Alter Ego, eine junge Autorin, will ihrem Leben und Schreiben ein Ende setzen. In Gedanken führt sie ein letztes nächtliches Gespräch mit der von ihr verehrten Schriftstellerin Marina Zwetajewa. Die russische Dichterin hat sich 1941 erhängt.

Wie es seit Shakespeare im Theater so zugeht, nehmen Geister Gestalt an und werden oft sehr gesprächig. "Von mir aus kannst du springen", meint die bleiche Marina. "Tote haben kein Mitleid." Redselig blickt sie auf das unglückliche Glück ihres eigenen Lebens zurück, nicht ohne dem weinerlichen Gegenüber gehörig die Meinung zu geigen. Beide Frauen verstricken sich in einen ausführlichen Disput über existenzielle Fragen der Liebe und der Kunst - eine Tour de force für Solveig Krebs, Lucia Peraza Rios und auch die Zuschauer.

Sie bekommen einen Haufen Unglück zugemutet, den die beiden Schauspielerinnen intensiv und mit Ausdauer vor ihnen aufbauen. Wie die entlang der Wand gestapelten Haufen von Büchern. Marina brauchte eigentlich gar nicht zu sagen: "Mein Leben sind meine Bücher." Denn die bleiche Solveig Krebs blättert in deren Leben wie in einem Roman, distanziert und erfrischend ungerührt, was das erzählte Leiden erträglich macht. Sie blickt zurück mit der Gewissheit, alles überstanden zu haben. Solveig Krebs bekommt in der streng gefassten Form ihres für eine Tote erstaunlich lebendig und differenziert entfalteten Charakters diesmal sogar ihre Neigung zu Manierismen in den Griff. Ihre Partnerin ringt mit dem"Ich" etwas schwerer. Sie verwechselt anfangs eigene Unsicherheit mit jener der Figur, spielt sich jedoch frei und findet zu direkten und ehrlichen Tönen.

Wie zu erwarten war, lässt "Ich" das Springen, findet im vertraulicher werdenden Meinungsaustausch der Schicksalsschwestern zur Vernunft, geht aus ihm gestärkt hervor und mutig den Strahlen der Morgensonne entgegen. Besiegt ist die Schreibblockade.

"Ich, Du, Marina" 1. u. 15.4., jeweils 19.00, 14.4., 20.15, Lichthof-Theater, Mendelssohnstraße 15, Karten T. 85 50 08 40; www.lichthof-theater.de