Im Bremer Dom hält der Tanz beim Brahms-Requiem nicht Schritt

Bremen. So ernst und feierlich hat sich Urs Dietrich seinen Abgang nach 18 Jahren Bremer Tanztheater eigentlich nicht vorgestellt. Als er das Großprojekt "Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms im St. Petri Dom plante, war noch nicht klar, dass es seine letzte Inszenierung sein würde. Denn der Tanz konnte bei der Übermacht von Kirchenbau und monumentalem Chorwerk nur den Kürzeren ziehen - ungeachtet der Lösung, ihn filmisch auf einer Großleinwand über dem Orchester und der Orgel sichtbar zu machen.

Dennoch verfehlte die ambitionierte Aufführung in Kooperation von Tanztheater, Bremer Oper, Dom- und Extra-Chor und Philharmonischem Orchester ihre Wirkung nicht - vor allem musikalisch unter der Leitung von Generalmusikdirektor Markus Poschner.

Klug lässt der Choreograf Brahms' Trostkantate auf Texte aus dem Alten und Neuen Testament den Vortritt. Aktionen der meist abwesenden Tänzer verlegt er in die Pausen zwischen den sieben Sätzen. Sie bleiben beschränkt auf prozessionshafte Gänge oder Läufe im Gänsemarsch durch den Mittelgang des Kirchenschiffs. Mal tragen die Tänzer dabei Lichtlein in den Handflächen, mal sind einige zu lebenden Skulpturen verfremdet, die an den Zuschauern vorbeiziehen.

Ihren Blick fixiert jedoch die Leinwand mit den gefilmten Tanzszenen, in denen Dietrich Themen aus den Gesängen aufgreift. Zuweilen fallen sie illustrativ aus, wie das unruhig-ziellose Im-Kreis-Laufen des Ensembles durch Korridore zum Baritonsolo (Martin Kronthaler) und Psalm des dritten Satzes. Dann wieder ziemlich beliebig: Zur Sopranarie "Ihr habt nun Traurigkeit" von Sara Hershkowitz dreht und wendet sich eine Tänzerin über das nasse Watt auf die Kamera zu. Oder versinkt ein Tänzer wiederholt unter Wasser.

Schöne Bilder, hübscher Tanz, in dem sich der Choreograf auch selbst zitiert, aber wenig auf die äußere Situation im Dom bezieht. Zudem erinnert die finale Filmsequenz ziemlich genau an Akram Khans ebenfalls spirituell erleuchtete Choreografie "Vertical Road": Auf ihrem Weg zum Himmel schüttelt Khans Compagnie ähnlich den Bremer Kollegen in raschen Sprüngen und Drehungen allen irdischen Staub von sich ab, dass es nur so staubt. Zum Abschied hat Urs Dietrich unverdient sein Licht unter den Scheffel gestellt.