Das US-Duo Coco Rosie versuchte sich mit mäßigem Erfolg als Performer, verzückte die Kampnagelbesucher in Hamburg aber musikalisch.

Hamburg. Ein Kind hüpft über die Bühne wie eine aufgezogene Spieluhr, das Kleid zerfetzt. Sierra Casady, eine Hälfte des kreativen Schwesternduos Coco Rosie (und ausgebildete Opernsängerin), tanzt, wenn man so will, die Hauptrolle in der ersten Performance ihrer Schwester Bianca: "Nightshift", Untertitel "A Feeble Ballet". Beide Abende der Weltpremiere auf Kampnagel waren restlos ausverkauft.

Das Kind hat offenbar ein schweres Dasein, ist aber im Coco-Rosie-Universum denkbar gut aufgehoben. Vor den wechselnden Schwarz-Weiß-Ansichten des Fotokünstlers Jean Marc Ruellan trifft es auf eine verständnisvolle Witwe, eine Vogelscheuche und ein verschleiertes Duo in gigantischen Stiefeln. Die Nacht umhüllt es. Alle hier sind Schattenwesen. Doch mit den musikalischen Wechseln transformieren sie ihre jeweilige Gestalt.

Überwiegend illustrieren die von dem Choreografen Bino Sauitzvy kreierten Bewegungsbilder das Geschehen, das Bianca Casady aus dem Off mal singend, mal erzählend weitertreibt. Vieles, nicht nur die eindrucksvollen, athletischen Intermezzi von Vogue-Tänzerin Leiomy Maldonado, bleibt da ein Mysterium.

Es zeigt sich, dass Coco Rosie vor allem Musikerinnen sind. Und da verstehen sie ihr Handwerk aufs Beste, wie der zweite Teil "Die achte Nacht" dieses langen, am Ende vierstündigen Abends beweist. Wild kostümiert, Sierra in Männerunterhose und Stiefeln, Bianca im Fellkleid mit Kunstbrust, singt sich das Duo mit alten und neuen Songs des aktuellen Albums "Grey Oceans" in eine feurige Ekstase. Normalerweise erzeugt es seinen Freak Folk mit allerlei Spielzeugklimpereien elektronisch. Diesmal entsteht alles im Hier und Jetzt und erfährt durch die vorzügliche Band, erweitert um Gaststars der indischen Rajasthan Roots sowie Beatboxer Tez, eine tolle Färbung - mit rasenden Khurtal-Kastagnetten zu vokal erzeugten Hip-Hop-Beats.

Indische Tradition verbindet sich da aufs Natürlichste und völlig unverkitscht mit westlicher Elektronik. In "R.I.P Burn Face" kommt der exaltierte Gesang der Harfe spielenden Sierra Casady wunderbar zum Tragen. Ihre Schwester feuert derweil die Menge an, die bald nichts mehr auf den Sitzen hält.

Ein tolles Klang- und Kunsthybrid ist schließlich entstanden. Eine echte Sternstunde.