Die Bestseller-Verfilmung “Die Tribute von Panem“ wird von Millionen Fans sehnsüchtig erwartet. Am Donnerstag startet das düstere Epos.

Hamburg. "Als ich aufwache, ist die andere Seite des Bettes kalt. Ich strecke die Finger aus und suche nach Prims Wärme, finde aber nur das raue Leinen auf der Matratze. Prim muss schlecht geträumt haben und zu Mutter geklettert sein. Natürlich. Heute ist der Tag der Ernte." Mit diesen knappen Sätzen, die sofort das Erzähltempo vorgeben, beginnt die Romantrilogie "Die Tribute von Panem". Ein Jugendbuch-Welterfolg, der sich allein in den USA 26 Millionen Mal verkauft hat, der 180 Wochen in der Bestsellerliste der "New York Times" stand und es bei uns ebenfalls auf Platz eins schaffte. An diesem Donnerstag kommt die Verfilmung des ersten Teils in die Kinos - und nicht nur Hollywood hält den Atem an. Auch die riesige Fangemeinde kann Tag X kaum noch erwarten.

Bevor die Amerikanerin Suzanne Collins, Jahrgang 1962, die "Panem"-Trilogie schrieb, war sie Kinderbuchautorin und arbeitete fürs Fernsehen. Eine ordentliche Karriere mit Mann und zwei Kindern in Connecticut, aber nichts gegen das, was dann kam. Ein erzählerisches Meisterstück, das nicht nur Jugendliche begeistert, sondern Leser in allen Altersgruppen findet und Collins in die Top 100 des "Time Magazine" katapultierte - als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2010.

Und darum geht es in ihrem Epos: In einer nicht allzu fernen Zukunft ist aus dem zerstörten Nordamerika der diktatorisch regierte Staat Panem geworden. Die Macht hält eine reiche Elite im Kapitol, der Hauptstadt, in Händen. Das Volk in den zwölf Distrikten hungert, jeder Widerstand wird mit maximaler Härte niedergeschlagen. Um seine Macht zu demonstrieren, hält das Kapitol einmal im Jahr, zur sogenannten Ernte, "Hungerspiele" ab. Dazu werden in jedem Distrikt ein Mädchen und ein Junge im Alter von zwölf bis 18 Jahren ausgelost, die dann als "Tribute" vom Fernsehen live übertragen in einem riesigen Freilicht-Areal gegeneinander kämpfen müssen. Bis nur noch einer von ihnen am Leben ist. Der besonders arme Distrikt zwölf hat in 73 Jahren nur zweimal den Sieger stellen können, und ausgerechnet hier meldet sich die 16-jährige Katniss freiwillig, um den Platz ihrer eigentlich ausgelosten kleinen Schwester Prim einzunehmen.

Von der griechischen Sage des Minotaurus, dem auf Geheiß des Zeus-Sohnes Minos jährlich sieben Jungen und Mädchen geopfert werden mussten, über George Orwells "1984" bis zu William Goldings "Herr der Fliegen" reichen die Bezüge. Stephen King erzählt in seinem unter dem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlichten Roman "Der Todesmarsch" eine ähnliche Geschichte, im deutschen Fernsehen sorgte die Menschenjagd-Fiktion "Das Millionenspiel" bereits 1970 für Aufsehen. Collins hat also nicht alles neu erfunden - aber brillant verwoben und offenbar in vielerlei Hinsicht den Nerv der Zeit getroffen. Ihr "Panem" ist eine Konsequenz aus globaler Erwärmung und Rohstoffmangel, aus Kriegen, die um die verbliebenen Ressourcen geführt werden, aus der immer radikaleren Trennung in Besitzende und Besitzlose. Nachvollziehbar, dass das marxistische Monatsmagazin "Socialist Worker" "Die Tribute von Panem" als gar nicht so fiktionale Abhandlung über den "revolutionären Klassenkampf" lobte und auf die gesellschaftlichen Verwerfungen innerhalb der USA verwies.

Kein strahlender Held steht hier im Fokus, sondern ein junges Mädchen, bei dem Mut und Angst, Wut und Verletzlichkeit eng beieinanderliegen, das nicht auf den Prinzen wartet, der es erlöst, sondern eigene Wege geht. Die Radikalität des Sujets wird dadurch noch weiter erhöht, "Die Tribute von Panem" sind ein Millionengeschäft. Speziell im Kino. Nicht weniger als die Existenz der Produktionsfirma Lionsgate hängt am Erfolg dieses Projekts. Im vergangenen Jahr hatten Flops wie "Conan der Barbar" und "Atemlos - Gefährliche Wahrheit" Lionsgate - einst mit der "Saw"-Serie erfolgreich - in die Verlustzone gebracht. Außerdem investierten die Amerikaner mehr als 400 Millionen Dollar in die Übernahme des Konkurrenten Summit Entertainment. Und nun schlägt zusätzlich Teil eins der "Tribute von Panem" mit schwindelerregenden Gesamtkosten von ca. 140 Millionen Dollar zu Buche.

Doch das riskante Spiel scheint aufzugehen: Experten rechnen damit, dass der erste von insgesamt vier geplanten Filmen allein am Eröffnungswochenende in den USA 100 Millionen Dollar einspielt und sogar den Erfolg der "Twilight"-Serie übertrifft. Während "Twilight" nämlich in erster Linie ein weibliches Publikum anzog, sind die "Tribute von Panem" bei Jungen und Mädchen gleichermaßen erfolgreich. Weil eben keine Herzschmerzgeschichte im Vordergrund steht, sondern sich spektakuläre Action mit gesellschaftlicher Relevanz und einer Heldin mit hohem Identifikationspotenzial verbindet. Soll heißen: Mädchen wollen wie Katniss sein - und Jungs am liebsten auch. Zudem hat Lionsgate alle Hauptdarsteller bereits jetzt für die gesamte Filmreihe zu festen Konditionen unter Vertrag genommen. Immer höheren Gagen, die bei "Twilight" das Budget strapazierten, ist also vorgebeugt.

Das größte Kapital des Films jedoch ist seine Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence, die in diesem Jahr für ihre Rolle im US-Drama "Winter's Bone" oscarnominiert war und den Preis auch verdient gehabt hätte. Ihre extreme Wandlungsfähigkeit macht die 22-Jährige zur perfekten Katniss, die mal ausgezehrt und halb verhungert im grau-braunen Matsch ihres Distrikts liegt, aber auch eine perfekte Figur abgibt, wenn sie dem nach immer neuen Reizen gierenden Kapitol-Publikum als strahlende Gladiatorin präsentiert wird. Keine, die in das 08/15-Schema weiblicher Actionhelden passt, eher eine Jeanne d'Arc des 21. Jahrhunderts. Ein Ausnahmetalent, für das "Die Tribute von Panem" bedeuten könnte, was "Titanic" einst für Kate Winslet bedeutete: den Beginn einer Weltkarriere. Wer sie in diesem Film sieht, mag kaum glauben, dass ihre Besetzung in Fankreisen mit so viel Skepsis aufgenommen wurde und Regisseur Gary Ross sich gezwungen sah, vor die Presse zu gehen, um zu versichern, Autorin Suzanne Collins höchstpersönlich habe dieser zentralen Personalie zugestimmt. Spätestens seit den gefeierten Premieren in Los Angeles, London, Paris und Berlin sind die Wogen geglättet: Für Jennifer Lawrence sieht es ebenso nach einer Zeit der reichen Ernte aus wie für Lionsgate. Das Kinojahr 2012 steht vor seinem ersten ganz großen Höhepunkt, darauf deutet alles hin. Mögen die Spiele beginnen!

"Die Tribute von Panem - The Hunger Games" ab 22.3. im Cinemaxx Dammtor, Harburg, Wandsbek, Streit's (OF), UCIs Mundsburg, Othmarschen-Park, Smart-City; www.tributevonpanem.de