Gerade 75 Jahre alt geworden, kehrt der Künstler Eduardo Arroyo mit einer großen Bilderschau in die Galerie Levy nach Hamburg zurück.

Hamburg. Er tritt auf mit der Haltung eines Staatsmannes; alles an ihm ist Gewicht, Bedeutung, Format. Wenige Tage vor der Eröffnung einer Retrospektive seines Werks in der Galerie Levy steht Eduardo Arroyo, gerade 75 Jahre alt geworden, nach langer Funkstille zwischen ihm und seinem Hamburger Kunsthändler im großen Saal von dessen Galerie in Eppendorf und empfängt mit ihm Gäste, Freunde, Weggefährten, mögliche Kunden.

Als Darsteller eines Mächtigen dieser Welt wäre Eduardo Arroyo glänzend besetzt. Dabei hat er entscheidende Jahre seines Lebens im Kampf gegen Staat und Macht verbracht. Als die Legion Condor während des Spanischen Bürgerkriegs im April 1937 Guernica bombardierte, war der Sohn aus gutem Madrider Hause gerade zwei Monate alt. 21 Jahre später verließ Arroyo, inzwischen Kunststudent in Madrid, wegen des Franco-Regimes Spanien und ging ins Exil nach Frankreich. Seither ist er zu einer Art romanischem Kosmopoliten geworden, zu einem bildenden Künstler und Homme de Lettres, der drei Sprachen gleich gut spricht, in zweien schreibt und in wohl 200 malt.

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde: Mit dieser lutherischen Gelassenheit spricht Arroyo gegenüber dem Abendblatt vom Auf und Ab seines Werdegangs an verschiedenen Orten Europas. Mal war er groß in Holland, mal hatte er Wohnung und Atelier in Mailand. Mal stand er in Belgien hoch im Kurs, mal in Frankfurt, Berlin oder München.

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Sein künstlerischer Eros verteilt sich nicht nur auf diverse Stile und Techniken innerhalb der bildenden Kunst, Arroyo schuf auch viele Bühnenbilder, und er ist ein vor allem in Frankreich und Spanien viel publizierter Autor. Dies ist seine vierte Ausstellung bei Levy, aber in den vergangenen zwölf Jahren habe man sich aus den Augen verloren. Jetzt ist der Kontakt wieder da. "Diese Ausstellung ist für mich aus zwei Gründen wichtig", sagt Arroyo. "Sie erneuert meine Verbindung zu Deutschland und die zu Hamburg."

Dass Hamburg in Eduardo Arroyos Leben eine Rolle gespielt haben muss, führen zwei seiner Zeichnungen von 1987 fast überdeutlich vor Augen. Auf dem Rücken des Jacketts eines skizzenhaft hingeworfenen Mannes mit Hut prangt wie ein Bierdeckel-Stempel das Signet des Hotels Reichshof. Ein anderes Bild zeigt den berühmten Hamburger Wasserträger, einen stämmigen Kerl, Hände in den Hosentaschen, den Zylinder tief in die Stirn gezogen über ein Gesicht, das frei ist von allem, was dort üblicherweise hineingehört: keine Augen, keine Nase, kein Mund.

Männer ohne Gesicht, Männer mit Hut, Männer von hinten: Diese von Arroyo fast obsessiv bevorzugte Darstellung verlorener, deformierter, geraubter, zumindest unbekannter Identität verweist auf seine Erfahrung als Emigrant. Verborgenheit suchen auch die "Fantômas", in den vergangenen Jahren entstandene Maskierte, die Arroyo als Diptychen jeweils mit dem Bild eines flächig, fast comichaft gemalten Gesichts kombiniert.

"Wenn ich ein Bild male, denke ich tagelang an nichts anderes als an dieses eine Bild. Es verfolgt mich bis in meine Träume und auf die Straße", erzählt Arroyo. "Aber wenn es fertig ist, ich vorne und hinten meine Signatur draufgeschrieben habe, dann drehe ich es mit dem Gesicht zur Wand und schau es nicht mehr an." Von ihm für Ausstellungen entliehene Bilder befreit er nach der Rücksendung nicht einmal aus ihrer Verpackung. "Nicht, dass mir die Bilder gleichgültig wären", sagt er. "Aber sie leben dann für sich."

Den Vormittag verbringt der Maler stehend an der Staffelei, die Nachmittage sitzt er an Zeichnungen oder über Manuskripten. "Ein Buch habe ich immer in Arbeit", sagt Arroyo, dessen Theaterstück "Bantam" 1986 von Klaus Michael Grüber am Münchner Residenztheater uraufgeführt wurde. Fünf Jahre zuvor war Arroyos biografische Erzählung "Panama Al Brown" über den Boxer gleichen Namens erschienen. Damals, in den 70er-, 80er-Jahren, hatte er viel zu tun in Deutschland. Seit der Regisseur Klaus Michael Grüber 2008 starb, hat Arroyo keine Bühnenbilder mehr für deutsche Theater oder Opernhäuser entworfen. Von seinen Büchern gibt es auf Deutsch nur noch die "Sardinen in Öl" zu kaufen. Zuletzt verfasste er einen Führer durch den Prado. "Ich wollte mit dem Blick des Malers über Malerei schreiben", erzählt Arroyo. Der liebste Hamburger Freund des Grandseigneurs der spanischen Malerei ist ein Italiener: Bruno Bruni. "Wir kennen uns seit 50 Jahren und reden in drei Sprachen miteinander."

Galerie Levy Osterfeldstr. 6, bis 3.5. geöffnet Di-Fr 10.00-18.00 u. n. V., T. 45 91 88