Auch wenn ihm die Stimme bricht: Randy Newman verteilt noch immer Seelenfutter

Hamburg. Der innere HNO-Arzt greift mechanisch in den imaginären Kittel, will - falls es so etwas überhaupt gibt - eine Polypenzange zücken, damit im Tarnanzug zur Bühne eilen und Randy Newman schmerzlos von all dem befreien, was ihn da in seiner Nase an der klaren Artikulation seiner Melodien hindert. Das war noch bei jedem Newman-Konzert der letzten 23 Jahre so: Seltsam gequetscht klang der Gesang eines der größten Songwriters Amerikas immer. Jetzt, im Alter von 68 Jahren, hat seine Stimme außerdem Tontreffprobleme in den höheren Lagen. Mancher harsch danebengegangene Ton ließ schon ans Dylan-Gekrächz denken.

Damit sei aber auch das letzte beckmesserische Nörgelwort über den ansonsten grandiosen Auftritt des Chef-Sarkasten unter den Singer/Songwritern am Donnerstag in der Laeiszhalle gesagt. Denn Newman spielte und sang in den gut zwei Stunden mal eben knapp 40 Songs aus dem eigenen Katalog, und bei fast jedem davon hatte man das Gefühl, hier erklinge ein weiteres wesentliches Stück amerikanische Pop-Geschichte im Original. Hände also raus aus dem Kittel und ran an die Hosennaht - vor Ehrfurcht, die ja auch fast alle der zahllosen Cover-Interpreten von Newman-Werken wie "Baltimore", "I Think It's Going To Rain Today", "Same Girl" oder "Louisiana" empfinden. Die Ironie dabei: Der Schöpfer selbst kann sich erlauben, mit dem eigenen Material so lax und selbstverständlich umzugehen, wie's ihm beliebt. In manchmal kaum verständlichen Zwischenansagen untermauerte Newman zudem seinen Ruf als das linke, böse, scharfsichtige Gewissen Amerikas.

Doch so stark seine politischen Songs sind: Die größte Stille im Saal herrschte bei Newmans intimen, persönlichen Bekenntnisliedern. Das peinigend lange Verbleiben des Gefühls von Nähe und Verbundenheit nach einer Trennung, die Unfähigkeit der Seele, sich ganz von einer anderen zu lösen - diese existenzielle Einsamkeit bringt einem in zweieinhalb Minuten niemand so nahe wie er. Es gefiel Newman so sehr in Hamburg, dass er sich am Ende sogar auf ein Mini-Wunschkonzert einließ. Was machen schon Texthänger, wenn die Fans so liebevoll "Rider In The Rain" für ihn singen.