Das Drama überzeugt. Regisseur Robert Guédiguian ist in seinem Element, wenn es um präzise Alltagsbeschreibungen geht.

Für Michel (Jean-Pierre Darroussin) ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er einen Zettel auch mit seinem Namen in den Topf tut, aus dem per Losentscheid 20 Kollegen bestimmt werden, die ihre Arbeit verlieren. Das wäre nicht nötig gewesen, hält ihm sein Kollege, Freund und Schwager Raoul vor, schließlich ist er gewählter Gewerkschaftsvertreter. Doch für Michel ist das eine Geste der Solidarität. Nach einem langen Leben als Hafenarbeiter könnte er den überraschenden Vorruhestand genießen, etwa mit einer Reise nach Afrika, zum Kilimandscharo. Das ist nämlich das Präsent der Freunde zum 30. Hochzeitstag von Michel und Marie-Claire (Ariane Ascaride). Doch wenige Tage später wird das Ehepaar im eigenen Haus von zwei maskierten Männern brutal überfallen und ausgeraubt.

Hier wechselt der Film kühn die Perspektive, zeigt einen der Räuber, Christophe, den eingangs ebenfalls das Los traf, als verantwortungsbewussten Hüter seiner beiden jüngeren Brüder, die von der Mutter im Stich gelassen wurden. Hat er nicht sogar recht, wenn er in der Konfrontation mit Michel meint, der Losentscheid sei ungerecht gewesen, lieber hätte berücksichtigt werden müssen, wer die Arbeit am nötigsten brauchte? Michel jedenfalls muss angesichts dieser Situation sein Weltbild hinterfragen, sich Gedanken machen, was die Werte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit heute bedeuten können, wie man sie in der Gegenwart im alltäglichen Handeln bewahren kann.

Regisseur Robert Guédiguian ist in seinem Element, wenn es um präzise Alltagsbeschreibungen geht. Als Sohn deutsch-armenischer Eltern selber im Marseiller Hafenviertel L'Estaque geboren, erzählen die meisten seiner bislang 17 Filme von einfachen Menschen. Dabei ist "Der Schnee ..." erst der zweite Film, der es in die deutschen Kinos geschafft hat.

Bewertung: empfehlenswert

"Der Schnee am Kilimandscharo" F 2011, 107 Min., ab 12 Jahren, R: Robert Guédiguian, D: Jean-Pierre Darroussin, Ariane Ascaride, täglich im Abaton, Koralle; www.der-schnee-am-kilimandscharo.de