Der Hamburger Komponist und Performer Felix Kubin unterläuft die Erwartungshaltungen im Tanzklub

Golden Pudel Club. Die Orte, die Felix Kubin heute und in der kommenden Woche bespielt, könnten unterschiedlicher kaum sein. Der Golden Pudel Club gehört zum HamburgerUnderground, ist eine Enklave von Freigeistern mit eigenen Regeln und ein Platz, an dem der 42 Jahre alte Komponist und Performer sich wohlfühlt. Das KörberForum in der HafenCity steht dagegen für die Vermittlung von Hochkultur in Form von Diskussionen, Lesungen und Musik wie der "ePhil"-Reihe. "Ich finde es interessant und spannend, Elemente des einen Raums in den anderen hineinzutragen", sagt Kubin. Entsprechend unterschiedlich sind die Programme am heutigen Freitag und am 22. März.

Als "erweitertes Plattenauflegen mit performativen Elementen" beschreibt der in Hamburg geborene Klangkünstler den Abend im Klub am Fischmarkt. Kubin wird dort zusammen mit dem amerikanischen Multiinstrumentalisten und DJ James Pants auftreten. "Wir werden ein paar Drumcomputer in den Pudel bringen und Platten auflegen. James wird über die Musik singen oder schreien. Seine Vokalperformances haben etwas von einer Predigt", sagt Kubin über den derzeit in Köln lebenden Musiker. Wie der Abend genau ablaufen wird, weiß er noch nicht. Improvisation und Stilwechsel sind ihm wichtig. Ob das Publikum im Pudel zu den vermutlich recht experimentellen Klängen tanzen kann? Kubin versteht sich nicht als Dienstleister der Nacht; er möchte Erwartungshaltungen unterlaufen und Strukturen eines Tanzklubs aufbrechen. Auch Publikumsreaktionen sind nicht ausrechenbar.

Das wird im KörberForum ganz anders sein. "An solch einem Ort der Hochkultur verhält sich das Publikum so diszipliniert wie in der Schule oder beim Militär", sagt Felix Kubin. "Dort hat man die Möglichkeit, mit leisenTönen zu arbeiten und im besten Fall etwas Kontemplatives zu erreichen, weil die Aufmerksamkeit sehr hoch ist. Selbst wenn es den Zuhörern nicht gefällt, trauen sie sich nicht, einfach rauszulaufen, weil so ein Verhalten nicht den Regeln entspricht."

Sein (schon seit Langem ausverkauftes) Konzert im Rahmen dieser Reihe mit futuristischer Musik setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zu Beginn läuft René Clairs surrealer Stummfilm "Entr'acte" von 1924, zu dem Kubin einen Soundtrack entwickelt hat - eine Mischung aus vorproduzierten und live geschaffenen Klängen. Der zweite Teil soll aus dem Moment heraus entstehen: Mit zwei analogen Sequencern wird Kubin elektronische Kammermusik kreieren. Anders als im klassischen Konzert, wo sichMusiker und Dirigenten auf Noten beziehen, basieren Felix Kubins Stücke auf Improvisation.

Seit mehr als 20 Jahren experimentiert Felix Kubin mit Klängen. Als wichtigen Einfluss nennt er Bands der Neuen Deutschen Welle wie Die Tödliche Doris oder Der Plan. Später entdeckte er Komponisten der Neuen Musik wie Yannis Xenakis, Luigi Nono und Karlheinz Stockhausen für sich.

Seine Auffassung von Musik geht über die übliche Vorstellung eines organisierten Schallereignisses weit hinaus. "Man kann jeden Klang als Musik wahrnehmen", sagt er und erwähnt als Beispiel den griechischen Komponisten Xenakis, der für sein Stück "Concret PH" das Knistern, Knacken und Zischen verglühender Kohle aufnahm und das Resultat bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel als Raum-Klang-Installation ausstellte. "Wenn diese Alltagsgeräusche in einem Kunstrahmen gezeigt werden, schärft sich die Wahrnehmung des Zuhörers", sagt Kubin.

International gilt der Hamburger als einer der wichtigsten experimentellen Klangkünstler der Gegenwart. Oft erhält er Einladungen zu Festivals mit elektronischer und Neuer Musik. Das britische Musikmagazin "Wire" widmete ihm 2010 eine achtseitige Titelgeschichte. Die Überschrift bringt Kubins Visionen und sein Außenseitertum auf den Punkt: Sie lautet "Der Spinner".

Felix Kubin und James Pants heute, 23.00, Golden Pudel Club (Bus 112), Fischmarkt 27, Eintritt 5,-; der Auftritt im KörberForum ist ausverkauft. Online-Live-Stream: www.koerber-stiftung.de