Wäre er nicht schon ein guter Musiker, Stefan Gwildis hätte auch das Zeug zum Prediger

Hamburg. Sollte sich Stefan Gwildis noch einmal zu einem Berufswechsel entschließen, wäre Prediger keine schlechte Alternative: "Halleluja, Brüder und Schwestern ..." ist ohnehin eine seiner Lieblingsfloskeln. Und seine Gemeinde in der bis auf wenige Plätze ausverkauften Laeiszhalle hat er so gut im Griff, dass sich mancher Dorfpfarrer die Todsünde Neid wohl zähneknirschend eingestehen müsste.

Gwildis' Predigten hätten dazu den Vorteil, dass sie trotz erstaunlicher Ausführlichkeit - am Mittwoch spielte er mehr als zweieinhalb Stunden - nie langweilig werden. Sein neues Album "frei händig" steht besonders in der ersten Hälfte des Konzerts im Vordergrund. Das Motto für den Abend gibt Gwildis sich mit "So was kanns nich lernen" auch gleich mit auf den Weg. Er ist und bleibt einfach eine Rampensau mit intuitivem Gespür für das Publikum.

Nachdem er sich eine Trommel umgeschnallt und als Spielmannszugführer seiner Band durch den Saal in die Pause gezogen ist, kehrt Gwildis zunächst allein auf die Bühne zurück. Und zeigt, dass er nicht nur singen kann, sondern auch A-cappella-Gesang und Beatboxing beherrscht: "Allem Anschein nach bist du's", seine Interpretation von Bill Withers' "Ain't No Sunshine" singt und spielt Gwildis ganz allein. Dazu braucht er nicht mehr als ein Mikrofon und seine Stimme.

Der zweite Teil des souligen Gottesdienstes gehört vor allem den Coverversionen, die ihn bekannt gemacht haben. Aretha Franklins "Chain of Fools" wird wieder zu "Schön schön schön", der Geist von Marvin Gaye wird mit "Sie ist so süß" wachgerufen. Dass er sich aber nicht länger nur auf die alten Meister verlassen muss, beweist er unter anderem mit dem groovenden "Vergiss es".

So würde er vermutlich auch antworten, wenn man ihn zu Soutane und Zölibat bewegen wollte.