Nach langen 30 Jahren der Funkstille nehmen Martin L. Gore und Vince Clark als VCMG “Ssss“ gemeinsam ein Techno-Album auf.

Die goldenen Tage des Techno sind lange ausgezählt. Und erfahren doch aktuell eine kleine Renaissance. Die sie anschieben, sind keine Namenlosen: Martin L. Gore und Vince Clark wirkten in den frühen Tagen von Depeche Mode zusammen. Aber manchmal reißen Verbindungen ab im Leben. Mit Schaum vor dem Mund streicht man den anderen aus seiner Biografie.

So geschehen in den frühen Tagen der Elektropop-Pioniere. Während der Aufnahmen zum zweiten Album brachte Vince Clarke eine Version von "Only You" mit, überließ sie den Anwesenden und ging eine Zigarette rauchen. Nach seiner Rückkehr eröffnete ihm Sänger Dave Gahan, dass es das Stück nicht aufs Album schaffen würde. Clarke drehte sich um und ging. Und kam nicht wieder. Aus heutiger Sicht ist der Verlust des Songschreibers natürlich zu verschmerzen. Martin L. Gore schrieb die Band über 20 Jahre in den ewigen Pop-Olymp. 30 Jahre lang wechselten die beiden kein Wort. Bis Vince Clarke die losen Enden der Kommunikation mit Martin L. Gore ohne Vorwarnung wieder aufgriff: Er arbeite an einem Techno-Album, ob Gore nicht mitwirken wolle. Der hatte gerade an einem angebrochenen Nachmittag nichts Besonderes vor. Und so kamen die Streithähne wieder zusammen. Allerdings auf Distanz. Man schickte sich ein paar Soundfiles hin und her.

Beide lieben elektronische Musik. Und schätzen einen am minimalistischen Duktus geschliffenen Techno. Das ist nach der Ende vergangenen Jahres lancierten EP "Spock" nun zu hören auf dem gemeinsamen Werk "Ssss". Stünden da nicht die beiden hochkarätigen Namen drauf, würde das Album wahrscheinlich in irgendeiner Liebhaberecke verschwinden. Wie die etwas naiv gemalten, eigenwillig schlängelnden Nattern auf dem Albumcover verknoten sich da die Bits und Bytes. "Zaat" etwa ruft mit seiner herzschlagartigen Monotonie die ungesunden Dauerekstasen der 90er-Jahre zurück ins Gedächtnis. Als man unter der Glitzerkugel umnebelt oder auch nicht die Glieder schüttelte, als gäbe es kein Morgen. Manches brummt da eintönig vor sich hin. Die Fusion aus Rhythmus und sparsamer Melodie, sie gelingt nicht immer so wie in "Flux".

An die Herkunft der Klänge gemahnt dieser typisch melancholische Unterton, der die Tonspur etwa in "Single Blip" durchzieht. Es ist ein perfekt produziertes Machwerk. Das nächste wird wohl keine 30 Jahre auf sich warten lassen.

VCMG: "Ssss" (Mute), bereits erschienen; www.mute.com/vcmg